3.11.16
Erste jungsteinzeitliche Bauern Europas
stammen aus der Ägäis
Internationales Team um Mainzer Palaeogenetiker weisen neolithische
Migration aus Griechenland und Anatolien nach
Verschiedene Teile Europas wurden bereits vor rund 8000 Jahren
von Bauern aus der nördlichen Ägäis besiedelt. Die
Menschen wanderten aus dem Norden Griechenlands und der nordwestlichen
Türkei nach Mitteleuropa und Spanien ein und brachten ihre
sesshafte Lebensweise und landwirtschaftliche Praktiken mit in
die zentraleuropäischen und mediterranen Gebiete, in denen
jungsteinzeitliche Jäger-und-Sammler-Gesellschaften lebten.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die ein internationales Team
um die Mainzer Palaeogenetiker erstellt hat und die im Fachjournal
Proceedings of the National Academy of Sciences erschien. Die
Wissenschaftler analysierten das Erbgut von archäologischen
Skeletten aus Griechenland und der Türkei. Der Studie zufolge
gelangten neolithische Siedler aus der Gegend um die Ägäis
und das Marmarameer entlang einer Balkanroute nach Mitteleuropa.
Etwa zur gleichen Zeit erreichten prähistorische Bauern aus
dem ägäischen Raum auch über das Mittelmeer die
iberische Halbinsel.
Die Kolonisten waren die ersten sesshaften Ackerbauern, die nach
Europa kamen. Sie brachten Hausbau, Landwirtschaft und Haustiere
mit in ihr neues Siedlungsgebiet. Während ihrer Expansion
trafen sie auf Jäger und Sammler, die seit der Eiszeit in
Europa ansässig waren. Gemäß der Studie vermischten
sich die beiden Bevölkerungsgruppen anfänglich nur in
sehr begrenztem Maße. "Man tauschte Kulturgüter
und Kenntnisse aus, aber nur selten Ehepartner", beschreibt
Studienleiter Joachim Burger von der Johannes Gutenberg-Universität
Mainz (JGU) die ersten Kontakte. "Erst nach Jahrhunderten
stieg die Zahl der Partnerschaften an." Die Mainzer Anthropologen
hatten die Interaktion von Bauern und Wildbeutern im prähistorischen
Europa bereits in Studien 2009 und 2013 untersucht. Nun weisen
sie nach, dass die kulturellen Unterschiede und der zögerliche
Kontakt der beiden Gruppen auf die völlig unterschiedliche
geographische Herkunft zurückgehen.
"Die migrierenden Bauern brachten nicht nur eine völlig
fremde Kultur mit, sondern sahen sicherlich auch anders aus und
sprachen eine unterschiedliche Sprache", fügt Christina
Papageorgopoulou von der Demokritus-Universität Thrakien hinzu.
Sie hatte als Humboldt-Stipendiatin in Mainz die Studie mit Burger
ins Leben gerufen.
Die Studie klärt eine langjährige Debatte über
die Herkunft der ersten europäischen Bauern, indem sie anhand
von Genomanalysen zeigt, dass die Ahnenliste von Zentral- und Südwesteuropa
nach Griechenland und dem nordwestlichen Anatolien zurückverfolgt
werden kann. "Es gab die Auffassung, dass die Landwirtschaft
rein durch Ideentransfer nach Europa kam, ohne oder mit nur geringer
Migrationsbewegung. Diese Ansichten können nun ad acta gelegt
werden", so Burger mit einem Hinweis darauf, dass sich das
Verständnis der neolithischen Revolution durch die Analysen
alter DNA in den letzten sieben Jahren grundlegend geändert
hat. Die Mainzer Palaeogenetiker um Joachim Burger sind Vorreiter
bei der paläogenetischen Beforschung der Neolithisierung Europas.
Sesshaftigkeit, Ackerbau und Tierhaltung haben sich bereits vor
10.000 Jahren in einer Gegend entwickelt, in der heute die Türkei,
Syrien, Iran und Irak aneinander grenzen, dem sogenannten Fruchtbaren
Halbmond. Zuzana Hofmanová, neben Susanne Kreutzer die Erstautorin
der neuen Studie, führt dazu aus: "Ob die ersten Ackerbauern
letztendlich aus dieser Gegend kamen, ist noch nicht bewiesen.
Aber mit Sicherheit konnten wir feststellen, dass sie samt ihrer
revolutionären neolithischen Kultur weite Teile Europas über
die nördliche Ägäis in nur kurzer Zeit besiedelt
haben."
Es sollte nicht die letzte große Migration nach Europa sein:
Vor ca. 5.000 Jahren erreichten Bewohner der osteuropäischen
Steppe Mitteleuropa und gingen in den Gesellschaften ehemaliger
Jäger und Sammler und früher Bauern auf. Mehrheitlich
aus einer Mischung dieser drei Gruppen entstanden die heutigen
Bevölkerungen Europas.
Petra Giegerich, Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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