2.8.16
Kulturlandschaftspreis: Viele, viele Streuobstbäume,
Trockenmauern und eine Ameisenstadt
Kulturlandschaftspreis des Schwäbischen Heimatbunds
2016
(shb) „Man schätzt und schützt nur was man kennt“.
Die Abwandlung des bekannten Spruchs ist das Motto der Jugendgruppe
des Naturschutzbundes NABU in Lauda-Königshofen. Seit mehr
als 40 Jahren erhalten hier Kinder und Jugendliche ganz praktische
Einblicke in ökologische Zusammenhänge und Traditionen
vor Ort. Jetzt wurde das Engagement mit dem Jugend-Kulturlandschaftspreis
2016 ausgezeichnet. Fünf weitere Initiativen erhalten ebenfalls
einen Kulturlandschaftspreis, zudem wurden drei Sonderpreise für
Kleindenkmale vergeben.
Mit dem Jugendpreis wollen der Schwäbische Heimatbund und
der Sparkassenverband Baden-Württemberg als Auslober gezielt
die Begegnung junger Menschen mit der Kulturlandschaft in Württemberg
fördern. „Wer wie der NABU in Lauda so lange bei einem
Thema wie dem Streuobstanbau bleibt, hat ganze Generationen positiv
und mit viel Spaß an der Sache für die Besonderheiten
und Schönheit unserer Landschaft geprägt“, betont
Dr. Bernd Langner, Geschäftsführer des Schwäbischen
Heimatbundes. Wie tief die typischen Streuobstbäume in der
schwäbischen Seele wurzeln, zeigt das Engagement von gleich
drei weiteren Preisträgern: In Mössingen (Kreis Tübingen),
in Bisingen (Zollernalbkreis) sowie in Salem (Bodenseekreis) kümmert
man sich vorbildlich um die Bäume und Wiesen, die für
die Verarbeitung des Obstes entstandene Infrastruktur und die Vermarktung
der Produkte. Eingebunden ist der Schutz zehntausender Bäume
in eine intensive Öffentlichkeitsarbeit sowie ganz praktische
Hilfen, etwa eine Verpachtungsbörse für Baumwiesen im
Internet oder dem Verleih von Geräten, von der Astsäge
bis zum Balkenmäher.
Ökologische Kleinode und traditionelles
Handwerk
Welche Kostbarkeiten eine traditionelle Bewirtschaftung hervorbringen
kann, zeigt das Beispiel der Schäferei Rieger in Brastelburg
bei Aalen im Ostalbkreis. Seit 20 Jahren bewirtschaftet die Familie
eine Wacholderheide, auf der die Waldweide und der Abbau von
Dolomitsand die Landschaft über Jahrhunderte geprägt
haben. Neben botanischen Kostbarkeiten hat sich hier eine große,
sogenannte Ameisenstadt der Gelben Wiesenameise entwickelt, die
ihresgleichen sucht.
Prägend für viele Landstriche in Württemberg sind
auch die Steillagenweinberge. Für ihren Erhalt und Wiederaufbau
wurde der Esslinger Staffelsteiger Verein ausgezeichnet. Als eine
Art Förderverein bündelt er Mittel aus bestehenden Förderprogrammen
für den Wiederaufbau bedrohter Mauern und gewinnt Sponsoren
und Spender. Ziel ist es, das Thema im Bewusstsein der Öffentlichkeit
zu verankern, damit sich auch Nicht-Wengerter mit der Hand am Arm
im Mauerbau engagieren. Jeder der genannten Preisträger erhält
ein Preisgeld von 1.500 Euro. Insgesamt beträgt die Preissumme
10.500 Euro, die von der Sparkassenstiftung Umweltschutz zur Verfügung
gestellt wird. Überreicht werden die Auszeichnungen im Rahmen
einer öffentlichen Veranstaltung im Herbst 2016. Ausführliche
Informationen zu den aktuellen und allen bisherigen Preisträgern
finden sich unter www.kulturlandschaftspreis.de.
Damit Streuobstwiesen weiterhin die Landschaft prägen,
loben der Schwäbische Heimatbund und der Sparkassenverband
Baden-Württemberg den Kulturlandschaftspreis aus. Foto: Schwäbischer
Heimatbund
Sonderpreis Kleindenkmale
Zeitzeugen am Wegesrand
Mit dem Sonderpreis Kleindenkmale und jeweils 500 Euro ausgezeichnet
werden zwei Vereine in Frittlingen (Kreis Tuttlingen) und Kirchheim
unter Teck (Kreis Esslingen) sowie eine Einzelperson in Freudenstadt
für die Dokumentation, den Erhalt und die Öffentlichkeitsarbeit
zu Kleindenkmalen. Mit handwerklichem Geschick aber auch in Wort
und Bild in Form von Büchern und Öffentlichkeitsarbeit
vermitteln die Zeitzeugen am Wegesrand spannende Einblicke in die
Vergangenheit und das Leben früherer Generationen.
Die Preisträger des Kulturlandschaftspreises
2016
Jugend-Kulturlandschaftspreis 2016
Jugendgruppe NABU Lauda e.V., 97922 Lauda-Königshofen (Main-Tauber-Kreis)
Vermittlung von naturkundlichem Wissen für Kinder und Jugendliche
durch Pflege der heimatlichen Kulturlandschaft mit Pflege von Streuobstwiesen
unter Einbindung von Kindern mit und ohne Handicap.
Vermittlung von naturkundlichem Wissen und Zusammenhänge in
Natur und Kulturlandschaft – ohne dass dabei der Spaß zu
kurz kommt – war die Motivation zur Gründung der eigenständigen
Kindergruppe des NABU Lauda im Jahr 1974. Mit ihren Aktionen und
Aktivitäten im Themenbereich „Streuobstwiese“ hat
sich die Gruppe nun erfolgreich um den Sonderpreis Jugend des Kulturlandschaftspreises
beworben. Das reicht von der Wiesenmahd über die Apfelernte
und einen öffentliches „Most-Event“ zu Aktionen,
die sich mit den tierischen Bewohnern der Streuobstwiesen befassen.
Unter Beteiligung auch gehandicapter Kinder und Jugendlicher werden
Nistkästen gebaut, gepflegt und betreut, die Technik des Trockenmauerbaues
praktisch vermittelt und gemeinsame naturkundliche Wanderungen
zu Schwerpunktthemen veranstaltet.
Kulturlandschaftspreis 2016
(von Nord nach Süd)
Schäferei Markus Rieger, 73432 Aalen-Brastelburg (Ostalbkreis)
Langjährige behutsame Schaf- und Ziegenbeweidung einer Wacholderheide,
die wegen verschiedener kulturgeschichtlichen Besonderheiten und
einer ausgedehnten Ameisenstadt als Naturschutzgebiet ausgewiesen
ist.
Das Naturschutzgebiet „Dellenhäule“ auf dem Härtsfeld östlich
von Aalen ist ein Stück Kulturlandschaft mit vielen interessanten
Besonderheiten und einem einzigartigen Landschaftsbild. Vor allem
Waldweide und der Abbau von Dolomitsand über Jahrhunderte
haben deutliche Spuren hinterlassen und die Landschaft geprägt.
Inzwischen hat sich hier neben botanischen Kostbarkeiten eine sogenannte
Ameisenstadt der Gelben Wiesenameise in einer Ausdehnung entwickelt,
wie sie nirgends sonst bekannt ist. Schon seit 1997 beweiden Markus
Rieger und sein Vater Stefan Rieger mit ihrer Schaf- und Ziegenherde
die empfindlichen Flächen mit großer Sorgfalt, Behutsamkeit
und dem Fachwissen, das notwendig ist, um dieses Stück Kulturlandschaft
zu erhalten und für die nächsten Jahrzehnte zu sichern.
Staffelsteiger Verein e.V., 73733 Esslingen (Kreis Esslingen)
Erhalt und Wiederaufbau der Trockenmauern in den terrassierten
Steillagen des Weinbaugebietes Esslinger Neckarhalde
Seit beinahe tausend Jahren, seit der Stauferzeit ist das Stadt-
und Landschaftsbild von Esslingen durch den Steillagenweinbau mit
seinem verzahnten Wechsel von gewachsenem Fels und von Hand aufgerichteten
Trockenmauern geprägt. Diese kulturhistorisch bemerkenswerte
Terrassenlandschaft mit ihren unzähligen Trockenmauern, Spannbögen
und Staffeln steht zwar unter Denkmalschutz, trotzdem müssen
Jahr um Jahr eingestürzte oder von Unwettern weggespülte
Mauern wieder aufgebaut werden – eine so intensive und aufwendige
Arbeit, dass sie die den Weinbau in diesen Lagen unrentabel werden
lässt. Im Staffelsteiger Verein e.V. haben sich Wengerter,
fachkundige Senioren und andere an der Erhaltung dieser einmaligen
Kulturlandschaft Interessierte zusammengeschlossen. Als eine Art
Förderverein bündeln sie Mittel aus bestehenden Förderprogrammen
für den Wiederaufbau bedrohter Mauern und gewinnen Sponsoren
und Spender. Ziel ist es, das Thema in das Bewusstsein der Öffentlichkeit
zu bringen, damit sich auch Nicht-Wengerter mit der Hand am Arm
im Mauerbau engagieren.
Netzwerk Streuobst Mössingen, 72116 Mössingen (Kreis
Tübingen)
„
Energiebündel & Flowerpower“ – ein innovatives
Modellprojekt zur Biomassenutzung der von Streuobstwiesen geprägten
Landschaft um Mössingen und Nehren sowie umfassendes Engagement
rund um das Thema Streuobst.
Aus einem Agendaprojekt der Stadt Mössingen entstanden, engagieren
sich die Aktiven des Netzwerkes Streuobst Mössingen seit 2005
dafür, die Zukunft der 40.000 Streuobstbäume rund um
ihre Stadt zu sichern. Mit Mitmachaktionen, Apfelfesten und -wochen,
mit Streuobstpatenschaften, neuen Produktkreationen und Grundstücksverpachtung über
das Internet haben sie viele neue Wege beschritten. Landesweit
beispielhaft ist das Projekt „Energiebündel & Flowerpower“.
Mit Angeboten zur organisierten Schnitt- und Mähgutabfuhr
samt anschließender energetischer Verwertung, aber auch einem
Geräteverleih von der Säge über den Hochentaster
bis zum Balkenmäher bieten sie Lösungen für genau
die Probleme, die die Zukunft des Streuobstbaues unsicher machen.
Das erfolgreiche Projekt hat seine ersten Testläufe erfolgreich
hinter sich und bereits Nachahmer gefunden.
Schwäbischer Albverein (SAV) Ortsgruppe Bisingen, 72406 Bisingen
(Zollernalbkreis)
Beispielhafte Landschaftspflege im Naturschutzgebiet (NSG) Zollerhalde:
Entbuschung zugewachsener Flächen, Mäharbeiten nichtbeweidbarer
Allmendteile, Streuobstpflege mit Obstsammelaktionen und Baumschnittkursen.
Das NSG Zollerhalde zu Füßen der Burg Hohenzollern ist
Teil des Natura2000-Netzwerkes der EU zum Schutz und zur Entwicklung
des europäischen Natur- und Kulturerbes. Wie diese Kronjuwelen
der europäischen Kulturlandschaften zu erhalten sind, dafür
gibt es Managementpläne, in denen die notwendige Bewirtschaftung
und Pflege vorgegeben ist. Mit der Erfahrung aus 25 Jahren Landschaftspflege
im Zollernalbkreis, für die die Ortsgruppe Bisingen des SAV
bereits 1994 und 2000 mit dem Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet
wurde, hat die Ortsgruppe im Jahr 2012, als der Managementplan
gerade fertig geworden war, die Pflege von etwa 5 ha Kulturlandschaft
in der Zollerhalde übernommen. Unter fachlicher Anleitung
des Kreisnaturschutzbeauftragten entbuschen sie seither zugewachsene
Allmendflächen, mähen Streuobstwiesen und sorgen mit
Baumschnittkursen und Nachpflanzungen hochstämmiger Obstbäume
dafür, dass diese Kulturlandschaftsteile auch für folgende
Generationen gesichert bleiben.
Ulrike und Kurt Lenski, 88682 Salem (Bodenseekreis)
Pflege und Weiterentwicklung eines hofeigenen Streuobstbestandes
von circa 300 Obst-Hochstämmen auf 4,5 ha mit zahlreichen
alten Sorten, Sanierung des Brennhäusles und Integration
des Ökosystems Streuobst in einen modernen landwirtschaftlichen
Betrieb.
Gleich nach der Übernahme des elterlichen Betriebes im Jahr
2004 haben sich die Eheleute Lenski daran gemacht, den übernommenen
und sehr ansehnlichen Streuobstbestand zu pflegen, ihn durch Umstieg
auf biologische Bewirtschaftung und Zertifizierung in seiner ökologischen
Bedeutung weiter aufzuwerten und in den betrieblichen Ablauf des
Hofes zu integrieren. Mit der liebevollen Sanierung des alten Brennhäusles,
dem Neubau einer Holzbackofens für den „Lernort Bauernhof“ und
mit der Beweidung der Streuobstwiesen durch Schafe hat Familie
Lenski aufgezeigt, wie man es machen kann und einen beispielhaften
Beitrag zur Sicherung der typischen Kulturlandschaft am Bodensee
geleistet.
Sonderpreis »Kleindenkmale« 2016
Verschönerungsverein Kirchheim u.T. e.V., 73230 Kirchheim
unter Teck (Kreis Esslingen)
Sanierung des letzten Feldhäusles auf Kirchheimer Markung
vom Beginn des 19. Jahrhunderts
Es ist ein besonderes Kleinod, das auf der ehemaligen Allmende-Obstanlage
am Rande von Kirchheim steht. 1815 zum ersten Mal in der Flurkarte
erwähnt, lässt die Bauart des letzten Feldhäusles
aber durchaus auf eine ältere Herkunft schließen. Durch
Bausünden der Vergangenheit aber war es vor wenigen Jahren
so marode geworden, dass der Abriss erwogen wurde. Die Mitglieder
des Verschönerungsvereins haben sich jedoch dieses Zeugen
vergangener Zeiten angenommen und es in über 300 Arbeitsstunden
grundlegend und mit fachkundiger Liebe zum Detail restauriert – sie
haben es „in letzter Minute“ gerettet. Nun kann das
Feldhäusle auch in Zukunft Spaziergängern und Wanderern
von der Geschichte und Bewirtschaftung der Kirchheimer Kulturlandschaft
erzählen.
Hans Rehberg, 72250 Freudenstadt (Kreis Freudenstadt)
Heimatforschung zu besonderen Objekten durch Erfassung von Wohngebäuden
und Hausgeschichten, alten Wasserversorgungen und Brunnenstuben
sowie von Grenzsteinen. In seinem Heimatort Freudenstadt-Obermusbach.
Mit seinen Forschungen zu ganz unterschiedlichen Objekte und Kleindenkmalen
seines Heimatortes Obermusbach und deren Veröffentlichung
auf einer Homepage schafft es Hans Rehberg, aus ganz unterschiedlichen
Aspekten und Objekten ein ganzheitliches Bild der Geschichte des
Ortes zusammen zu tragen, das Mitbürgern und Mitbürgerinnen
einen spannenden Einblick in die eigene Vergangenheit ermöglicht.
Wohngebäude, Wasserversorgungen, Brunnen, öffentliche,
aber auch private Grenzsteine mit den Hofzeichen der einstigen
Besitzer lassen die längst vergangenen Strukturen wieder deutlich
werden.
Geschichts- und Heimatverein Frittlingen e.V., 78665 Frittlingen
(Kreis Tuttlingen)
Erforschung, Dokumentation und Sanierung sämtlicher Feldkreuze
auf der Markung sowie Herausgabe der Ergebnisse in Buchform: „Zeichen
am Weg. Kreuze, Kapellen und Grotten in Frittlingen“.
Die Mitglieder des Geschichts- und Heimatvereins Frittlingen machen
es sich schon seit langem zur Aufgabe, alle Feldkreuze auf ihrer
Gemarkung zu betreuen, zu pflegen und – wo nötig – liebevoll
und originalgetreu zu restaurieren. Dabei ist es ihnen gelungen,
zu eigentlich allen Kreuzen Informationen zu deren Geschichte und
den Gründen zusammen zu tragen, warum sie und von wem gestiftet
und errichtet wurden. In einem gelungenen und hervorragend bebilderten
Büchlein haben sie nun dieses Wissen anschaulich und lesenswert
veröffentlicht und ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern
zugänglich gemacht. |