19.10.16
Schloss Heidelberg
Der Artenschutz geht vor: 2016 pausiert der Weihnachtsmarkt
(ssg) Der Entscheidungsprozess war langwierig und erst im Oktober
war es ganz klar: Der Weihnachtsmarkt auf dem Stückgarten
kann so nicht mehr stattfinden. Das adventliche Erlebnisangebot
auf dem Schloss wird jetzt deutlich umgestaltet, damit der Schutz
der bedrohten Fledermäuse zuverlässig gewährleistet
werden kann. „Das war keine leichte Entscheidung, aber wir
haben sie bewusst und mit Überzeugung getroffen. Wir werden
keine Veranstaltung durchführen, bei der mittelfristig die
begründete Gefahr besteht, dass sie den Bestand unserer Heidelberger
Schlossfledermäuse gefährdet“, so Michael Hörrmann
und Andreas Falz, die Geschäftsführer der Staatlichen
Schlösser und Gärten.
Im Zweifelsfall für den Naturschutz
Der Weihnachtsmarkt auf dem Heidelberger Schloss ist ein großer
Erfolg – und das ist auch kein Wunder, die Stimmung im Stückgarten,
umgeben von der mächtigen Kulisse der Schlossruinen und mit
dem Ausblick über Altstadt und Neckartal ist einzigartig.
In den letzten Jahren hatte sich aber gezeigt, dass die Fledermäuse,
die Schloss Heidelberg zu ihrem Winterquartier gemacht haben, unter
der Unruhe in der Adventszeit leiden. Bei Untersuchungen ergaben
sich erste Anzeichen, dass die Zahl der Tiere im Heidelberger Schloss
abgenommen hat. Deshalb setzen die Staatlichen Schlösser und
Gärten Baden-Württemberg erstmals den Weihnachtsmarkt
aus – mit sofortiger Wirkung. Mit dieser Nachricht traten
Michael Hörrmann und Andreas Falz, die beiden Geschäftsführer
der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg,
jetzt an die Öffentlichkeit.
Weihnachtsstimmung im Schloss Heidelberg. Foto © Mike Niederauer/ssg
Schutzmaßnahmen werden weiter geprüft
Im Vorfeld der Entscheidung hatten die Staatlichen Schlösser
und Gärten mögliche Schutzmaßnahmen für die
Bereiche der Schlossmauern geprüft, in denen sich die Nistplätze
der Fledermaus befinden. Die Folge: Der Weihnachtsmarkt auf Schloss
Heidelberg kann nicht mehr stattfinden – zumindest vorerst,
bis man über die Situation der Fledermäuse mehr Fakten
hat und bis weitere Schutzmaßnahmen überprüft sind.
Schwierige Entscheidung
In der Zusammenschau der möglichen und überprüften
Maßnahmen wurde deutlich: Alle Vorrichtungen, die die Winterschlafplätze
der Fledermäuse sichern sollen, wären unvollständig,
kein ausreichender Schutz – und obendrein unverhältnismäßig
teuer. Die theoretisch möglichen Ausweichstandorte im Schlossareal
würden Investitionen in die Infrastruktur nötig machen,
die nicht zu finanzieren sind. Vor allem vor dem Hintergrund des
Rückgangs der Fledermauspopulation am Stückgarten entschloss
man sich, jetzt zu reagieren. „Wir haben uns angesichts der
Situation der Fledermäuse zum Handeln entschlossen und dafür,
den Weihnachtsmarkt so lange pausieren zu lassen, bis die Maßnahmen
und die Möglichkeiten ihrer Umsetzung klar sind. Der Rückgang
der Fledermaus-Population am Stückgarten war und ist ein starkes
Warnsignal für uns.“ So fasst Geschäftsführer
Michael Hörrmann die Fakten zusammen.
Frühzeitige Information an die Teilnehmer
Dass die Durchführung des Weihnachtsmarkts für 2016 keineswegs
sicher ist, wissen die potenziellen Aussteller bereits seit dem
Ende des Weihnachtsmarktes 2015. Damals hatte die Marktveranstalterin
alle Mitwirkenden darüber informiert, dass für 2016 der
Markt neu genehmigt werden müsse – und dass es nicht
sicher sei, ob dann ein Markt durchgeführt werden kann. Auch
der Hinweis auf die späte Entscheidung war bereits am Jahresende
2015 klar: Frühestens im August 2016 sollte sich die Entscheidung
klären. Und auch, dass aufgrund von Unterlagen, die nachgereicht
werden mussten, schließlich erst im Oktober die Entscheidung
fallen sollte, war den Marktteilnehmern klar. „Den Teilnehmern
erst so spät endgültig Bescheid geben zu können,
war ein Problem für die Planung – bei allen Beteiligten“,
erklärt Michael Bös, der Leiter der Schlossverwaltung.
Man habe daher von Anfang an die Unsicherheit des Weihnachtsmarktes
kommuniziert.
Europaweit einmalige Fledermauspopulation
„
Als wir vor einigen Jahren den Weihnachtsmarkt als Projekt entwickelt
haben, war für uns von vornherein klar, dass wir nur im ständigen
Blick auf den Artenschutz und in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden
arbeiten können“, erläutert Geschäftsführer
Andreas Falz das Vorgehen der Staatlichen Schlösser und Gärten.
Jetzt musste abgewogen werden – die Gefährdung der Fledermäuse
und der beliebte Weihnachtsmarkt in den beiden Waagschalen: „Da
musste die Entscheidung natürlich für den Natur- und
Artenschutz fallen“. Die Fledermaus-Population in den Mauern
des Heidelberger Schlosses ist europaweit einmalig und muss geschützt
werden. „Die Entscheidung wird uns Besucher und Einnahmen
kosten. So schmerzhaft das auch sein mag, die Entscheidung ist
sinnvoll, notwendig und unumgänglich“, fasst Michael
Hörrmann den Prozess zusammen.
Großes Mausohr. Foto © Brigitte Heinz Adventliche Romantik im Schloss
Ohne ein attraktives stimmungsvolles Angebot soll die Adventszeit
in der romantischen Schlossruine, eben erst von ausländischen
Besuchern zur beliebtesten Schlossanlage Deutschlands gewählt,
dennoch nicht stattfinden. Allerdings wird das Angebot verkleinert,
leiser und rund um den großen geschmückten Weihnachtsbaum
auf den Innenhof konzentriert. Herzstück des Adventserlebnisses
soll ein stimmungsvoller Wettbewerb kurpfälzischer Chöre
und Musikgruppen werden, die über die Vorweihnachtszeit
die Besucher mit Proben ihres Könnens erfreuen werden. Über
eine Online-Abstimmung können die Schlossgäste ihr
Lieblingsensemble wählen.
Einladung an Chöre und Musikgruppen
„
Wer noch mitmachen will, soll sich schnell anmelden“, erklärt
Michael Hörrmann. Chöre und Ensembles aus der Kurpfalz,
die in der Adventszeit auf dem Heidelberger Schloss singen und
spielen wollen, können sich über das Internetportal der
Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
melden und bewerben. Als Belohnung für den Aufwand werden
die Fahrtkosten erstattet – Tickets für den ÖPNV
und die Fahrt mit der Bergbahn zum Schloss – und es gibt
einen Vespergutschein im Schloss. Die Anmeldung und die Bedingungen
fürs Mitmachen findet man bequem im Internetportal der Staatlichen
Schlösser und Gärten: www.schloss-heidelberg.de, weiter
mit „Aktuelles“.
Zusatzinformation: Artenschutz in Schloss Heidelberg
Schloss Heidelberg ist das bedeutendste Winterquartier für
Fledermäuse in Nordbaden. Hier leben die Zwergfledermaus,
die nur so viel wiegt wie zwei Stück Würfelzucker, und
das Große Mausohr, mit bis zu 40 cm Flügelspannweite
die größte heimische Fledermausart. In den Wintermonaten
hängen die Fledermäuse in den Mauern des Heidelberger
Schlosses: in den Kasematten, den Türmen und Palastbauten.
Wird ihr Winterschlaf gestört, schwärmen sie aus und
verlieren ihre Winterreserven, was zu ihrem Tod führen kann.
Die Tiere, allesamt stark gefährdet, stehen unter Artenschutz.
Um ihren Bestand zu sichern, müssen alle Aktivitäten
im Schloss immer vor dem Hintergrund der Bedürfnisse der Fledermäuse überprüft
werden. Beispielsweise ruhen alle Bauarbeiten an den betroffenen
Mauerpartien während der Zeit des Winterschlafs, um die Tiere
nicht zu beunruhigen.
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