14.11.16
Schloss Heidelberg
Vor 215 Jahren: Friedrich Hölderlins Ode auf Heidelberg
erscheint
(ssg) Heidelberg, die Stadt und vor allem das Schloss, als Sehnsuchtsort
der Dichter: Dieses Bild nimmt vor 215 Jahren gültige Formen
an – in einem Gedicht von Friedrich Hölderlin. 1801
veröffentlicht er seine berühmte Ode auf Heidelberg.
In zwei Strophen setzt der geniale Lyriker der „schicksalskundigen
Burg“ ein ewiges Denkmal.
Heidelberg wird berühmt
Zwei der prominentesten Namen der deutschen Literatur sind mit
dem Heidelberger Schloss verbunden: 1775 besuchte Johann Wolfgang
von Goethe Heidelberg und einige Jahre später, 1788, Friedrich
Hölderlin. Beide hielten sich mehrfach in der Stadt auf,
bewunderten das Schloss. Und beide Dichter haben mit ihren Werken
den Ruhm Heidelbergs mit begründet. Das Schloss mit den
eindrucksvoll aufragenden Mauern der Ruine spielt dabei eine
zentrale Rolle.
Ein junger Dichter entdeckt die „ländlichschönste“ Stadt
Mehrere Besuche in Heidelberg inspirierten Friedrich Hölderlin
zu seinem Gedicht über die „ländlichschönste“ der „Vaterlandsstädte“: Über
den ersten Besuch 1788, bei seiner ersten Reise über die engere
Heimat hinaus, berichtete der Achtzehnjährige nach der Rückkehr
ins evangelische Seminar in Kloster Maulbronn in einem Brief an
die Mutter: „Die Stadt gefiel mir außerordentlich wohl.
Die Lage ist so schön, als man sich je eine denken kan. Auf
beiden Seiten und am Rüken der Stadt steigen steile waldichte
Berge empor, und auf diesen steht das alte, ehrwürdige Schloß.“ Zum
zweiten Mal kam Hölderlin sieben Jahre später durch Heidelberg,
im Juni 1795, nachdem er die Universität Jena verlassen hatte.
Drei Jahre später entstand der erste Entwurf des Gedichtes über
Heidelberg.
Der Mythos entsteht
Zusammen mit den weiteren Gedichten erschien „Heidelberg“ in
einem Jahrbuch für gebildete Damen im Jahr 1801 – vor
215 Jahren. Berühmt ist der Anfang der Ode an Heidelberg: „Lange
lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust, / Mutter
nennen und dir schenken ein kunstlos Lied...“ Hölderlins
Lobpreis auf Heidelberg, im Versmaß der antiken Dichtung
folgend, kannte man in früheren Generationen in gebildeten
Kreisen auswendig – auch wegen der geheimnisvoll fremden
Schönheit der Sprache. Der Dichter erfindet sogar ein ganz
eigenes poetisches Wort: Er tauft Heidelberg als „Ländlichschönste“ der „Vaterlandsstädte“.
In der sechsten und siebten Strophe schildert er das Schloss. „Aber
schwer in das Thal hing die gigantische, / Schicksalskundige Burg
nieder bis auf den Grund, / Von den Wettern zerrissen“. Die
geborstenen Mauern des Schlosses beeindruckten den jungen Dichter
spürbar – und die Macht seiner Sprache lässt seine
Heidelberg-Ode zum Inbegriff der lyrischen Schlossbetrachtung werden.
Literaturerlebnis Schloss
Beim Spaziergang auf dem Philosophenweg, auf der Talseite dem Schloss
gegenüber und mit dem Blick auf die berühmten Mauern
und Türme, erinnert ein Gedenkstein an das Gedicht, das
Friedrich Hölderlin vor genau 215 Jahren veröffentlichte.
Jetzt geben die herbstlich kahlen Bäume wieder die Sicht übers
Neckartal zum Schloss frei. Wer vom Klang der Hölderlinschen
Worte inspiriert ist und sich mit dem Bild des Schlosses in der
Literatur befassen will, kann das in unterhaltender Weise auch
im Schloss tun: Die Staatlichen Schlösser und Gärten
Baden-Württemberg bieten immer wieder Führungen an,
deren Thema die berühmte Ruine als Motiv der Literatur ist.
www.schloss-heidelberg.de
www.schloesser-und-gaerten.de
Das Gedicht Friedrich Hölderlins
Heidelberg
Lange lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.
Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.
Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,
Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluthen der Zeit sich wirft.
Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All’ ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.
Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goß
Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Epheu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.
Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.
Friedrich Hölderlin
Friedrich Hölderlin wurde am 20.3.1770 in Lauffen am Neckar
geboren. Sein Vater war Klosterpfleger, die Mutter Pfarrerstochter.
Bis 1784 besuchte er Schulen in Nürtingen und Denkendorf.
Da er von den Eltern zum Theologen bestimmt war, besuchte er das
Evangelische Seminar im Kloster Maulbronn, von 1788 bis 1793 studierte
er am Theologischen Seminar in Tübingen. Allerdings wuchs
seine Abneigung gegen den Pfarrberuf und so wurde er 1793/94, auf
Empfehlung von Friedrich Schiller, Hauslehrer bei Charlotte von
Kalb im thüringischen Waltershausen. 1794 besuchte er die
Universität in Jena. 1796 trat er eine Stelle als Hauslehrer
bei dem Frankfurter Bankier Gontard an. Seine schwärmerische
Liebe zu dessen Ehefrau Susette endete abrupt, als Gontard ihn
fristlos entließ.
Die nächsten Jahre war der junge Dichter
an verschiedenen Orten als Hauslehrer engagiert. 1802 kehrte er,
zerrüttet und krank, zu seiner Mutter nach Nürtingen
zurückkehrte. Vier Jahre später wurde er in eine Heilanstalt
nach Tübingen überwiesen. Hölderlin galt ab diesen
Zeitpunkt als wahnsinnig und kam ab 1807 zur Pflege zur Familie
des Tübinger Tischlers Zimmer. 36 Jahre lebte er in deren
Haus oberhalb des Neckarufers, heute als Hölderlinturm bekannt.
Am 7. Juni 1843 starb Friedrich Hölderlin im Alter von 73
Jahren. Hölderlins Werk, geschaffen in den wenigen Jahren
seiner Jugend, gilt als ein Höhepunkt der
deutschen Literatur.
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