5.7.16
Schloss Heidelberg
Carbon-Rampen und Easy-Going-Führung: Barrierefreiheit
im historischen Monument
(ssg) Unebenes Wegepflaster mit viel Geschichte, steinerne alte
Türschwellen, verwinkelte Gänge und schmale Pforten,
ungleiche Treppen und malerische Geländestufen: Was zum Reiz
des alten Bauwerks Schloss Heidelberg ganz wesentlich beiträgt,
ist für viele Besucherinnen und Besucher ein Hemmnis und eine
hohe Schwelle vor dem Besuchserlebnis. Viele kleine Schritte sind
nötig, um auch für Menschen mit Behinderungen das Schloss
möglichst ohne Einschränkungen zu öffnen – und
nichts gibt es für den ungewöhnlichen Ort Schlossruine
von der Stange. Die Staatlichen Schlösser und Gärten
Baden-Württemberg ziehen in Schloss Heidelberg eine erste
Bilanz der Möglichkeiten und blicken in die Zukunft.
Historische Monumente als Herausforderung
Schon die Lage auf Terrassen am steilen Neckarhang ist eine Herausforderung
für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen – und
noch mehr sind es die unterschiedlichen historischen Bodenbeläge
und Wege in Schloss Heidelberg. „In einem historischen
Monument das Ziel der Barrierefreiheit anzustreben, ist absolute
Detailarbeit“, erklärt Michael Hörrmann, der
Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und
Gärten Baden-Württemberg. In Schloss Heidelberg arbeitet
man eng im Verbund mit der Stadt – und hat inzwischen einige
größere und kleinere Schritte getan, um trotz der
komplizierten Situation der berühmten Ruine für möglichst
viele Menschen den Besuch so unkompliziert wie möglich zu
machen. Seit Kurzem im Einsatz ist eine tragbare Rampe aus leichtem
Carbon-Material: Die Schlossführer können sie flexibel
einsetzen, wenn Rollstuhlfahrer in der Gruppe sind, und einen
Teil der Führung zugänglich machen.
SSG-Geschäftsführer Michael Hörrmann beim Selbstversuch mit der
Carbonrampe. Viele Details im Angebot des Schlosses
Seit 2012, seit der Eröffnung des Besucherzentrums, stehen
rollstuhlgerechte Toilettenanlagen zur Verfügung. „Der
Neubau bot dem zuständigen Bauamt Mannheim von Vermögen
und Bau Baden-Württemberg die Gelegenheit, sämtliche
aktuellen Standards zu berücksichtigen und umzusetzen – diese
Möglichkeit gibt es in den historischen Schlossmauern nicht überall“,
erklärt Michael Hörrmann, der Geschäftsführer
der Staatlichen Schlösser und Gärten. Die Staatlichen
Schlösser und Gärten, zuständig für die Öffnung
des Monuments, setzen vor allem bei einem differenzierten Führungsangebot
an: Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität gibt
es „Easy-Going-Touren“, wahlweise im Garten, im Schloss
oder als Kombination. Längst gehören Führungen für
Sehbehinderte und Blinde zum Programm.
Spezialisten im Personal des Servicecenters
Relativ neu dazugekommen sind Führungen in leichter Sprache.
Sie wenden sich an Schlossgäste, die komplizierten Sätzen
nicht gut folgen können. „Das können sowohl Menschen
mit einer Behinderung sein als auch Besucher, die nur geringe Deutschkenntnisse
haben“, erläutert Elisabeth Kröger vom Servicecenter
im Schloss. Elisabeth Kröger ist Ergotherapeutin und Schlossführerin
und setzt sich seit Jahren für die Barrierefreiheit im Schlossbereich
ein. Im Servicecenter ist sie Ansprechpartnerin für mobilitätseingeschränkte
Personen. „Die erste Führung für Gehörlose
und Schwerhörige hat bereits stattgefunden“, erklärt
Andrea Roth, eine der Geschäftsführerinnen des Servicecenters. „Gruppen
können sich jederzeit anmelden.“
Von links nach rechts: Elisabeth Kröger, Ansprechpartnerin für
mobilitätseingeschränkte Personen, Reglindis Schulte-Tigges-Dettbarn,
Service-Center, SSG-Geschäftsführer Michael Hörrmann, Schlossverwalter
Michael Bös und Andrea Roth, Service-Center, bei der Präsentation
von Audio-Unterstützung, Bildmaterial, Rollstuhl und Carbonrampe.
Technische Ausstattung durch die Schlossverwaltung
Auch auf technischer Seite werden die Möglichkeiten ständig
erweitert. Aktuell haben die Staatlichen Schlösser und Gärten
Hörhilfen angeschafft. Michael Bös, der Leiter der Schlossverwaltung,
erläutert den Einsatz: „Das sind Empfänger, die
auf die Frequenz von Hörgeräten eingestellt sind und
verstärken, was bei der Schlossführung erzählt wird.“ Noch
neu im Betrieb ist die mobile Faltrampe aus Carbon. Stufen bis
zu 25 cm können damit überwunden werden. „Damit
lassen sich erstmals Teile des normalen Führungsweges im Schloss
auch für Rollstuhlfahrer erschließen“, erklärt
Michael Bös die Vorteile. Für Gruppen, die höher
gelegene Teile des Schlosses nicht erreichen können, stellt
die Schlossverwaltung großformatige Fotomappen bereit, um
einen Eindruck der nicht zugänglichen Schlossteile zu ermöglichen.
Außerdem stehen zwei Rollstühle zur Verfügung.
Als nächsten Schritt will die Schlossverwaltung mobile Stehhilfen
anschaffen. Sie machen es vor allem für ältere Menschen
leichter, sich bei einer Führung zwischendurch auszuruhen.
Enge Zusammenarbeit mit der Stadt
Das Schloss ist mit seinen Angeboten im „Inklusions-Atlas“ von
Heidelberg präsent: Dieses Online-Angebot der Stadt Heidelberg
erschließt vielfältige Informationen dazu, wo und wie
Menschen mit Behinderungen ihre Freizeit verbringen können. „Das
Schloss ist dabei gut vertreten“, erläutern die Vertreterinnen
des Servicecenters und betonen die gute Zusammenarbeit und Vernetzung
mit der Stadt.
Inklusion als Ziel der gesamten Arbeit
Geschäftsführer Michael Hörrmann betont die große
Bedeutung der Inklusion für die Arbeit der Staatlichen Schlösser
und Gärten: „Die Monumente des Landes stehen allen offen – und
wo es schwierig ist, da ist es unsere Aufgabe, Lösungen zu
finden“. Die Teilhabe sei ein Teil des verfassungsmäßigen
Auftrages der Staatlichen Schlösser und Gärten als Institution
des Landes Baden-Württemberg. Überall, wo in den vergangenen
Jahren Sanierungsarbeiten der Bauverwaltung des Landes in Monumenten
stattfanden, war Barrierefreiheit daher immer auch die Richtschnur
für die Arbeiten. Die Einrichtung rollstuhlgerechter Toilettenanlagen
gehört längst zum Standard – wie auch im neuen
Besucherzentrum des Schlosses.
Vielfalt des Programmangabotes
Umfassender gedacht ist der Programmansatz der Staatlichen Schlösser
und Gärten: Das Führungsangebot in den Monumenten des
Landes hat sich in den vergangenen Jahren auf die unterschiedlichsten
Bedürfnisse eingestellt. Längst gibt es an vielen Orten
Führungen für alle Altersgruppen – vom Kindergartenalter
bis zu älteren Menschen, die keine langen Rundgänge bewältigen
und daher vieles im Sitzen erleben können. Führungen
für Blinde und Sehbehinderte und für Gehörlose gehören
zum festen Programm an vielen Orten. „Menschen mit speziellen
Bedürfnissen sind eine wichtige und bedeutende Besuchergruppe
für die Monumente – und die Staatlichen Schlösser
und Gärten Baden-Württemberg arbeiten daran, dass sich
alle willkommen fühlen können“, erläutert
Michael Hörrmann. |