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2.3.16

In Stuttgart gibt’s „Das größte Gsälzbrot der Welt“

Umweltakademie Baden-Württemberg und Partner aus Wissenschaft, Lebensmittelhandwerk sowie Obst- und Gartenbau werben für ein neues Verständnis für Küche, Landschaft und Nachhaltigkeit

(uabw) „Während Kochsendungen boomen und Zeitschriften über die Landhausküche und das Landleben Höchstauflagen erreichen, werden die Deutschen immer mehr zu einem Volk von Kochanalphabeten. Kinder denken, dass Fischstäbchen im Meer schwimmen und Kühe lila sind. Die Wissenserosion in Sachen Küche, Landschaft und Landwirtschaft gefährdet in noch nie dagewesenem Maß Böden, Gewässer, Klima und die Artenvielfalt“, so Claus-Peter Hutter, Leiter der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg.

Mit einer spektakulären Aktion und einer eigens kreierten Veranstaltungsreihe will deshalb die Umweltakademie Baden-Württemberg zusammen mit Partnern aus Wissenschaft, Lebensmittelhandwerk sowie dem Obst- und Gartenbau auf die Zusammenhänge zwischen dem Essverhalten und den negativen Auswirkungen für die Umwelt aufmerksam machen, für nachhaltigen Konsum werben und Lösungswege für eine Neuorientierung in der Küche und damit für Landschaft und Heimat entwickeln und aufzeigen.

Partner sind unter anderem die Universität Hohenheim, der Landesinnungsverband für das Württembergische Bäckerhandwerk, der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft (LOGL) und das Museum der Brotkultur, Ulm. Jetzt wurde die Schwerpunktinitiative, die Fachleute in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung sowie in den verschiedenen Verbänden ebenso ansprechen soll wie die breite Öffentlichkeit, im Stuttgarter Akademiehaus erstmals vorgestellt.

120 Meter – Das größte Gsälzbrot der Welt
Ein ambitionierter und gleichermaßen spektakulärer Aktionstag am 23. März 2016 im Stuttgarter Haus der Wirtschaft ist mit dem „Größten Gsälzbrot der Welt“ den Themen Heimat, Regionalität, Vielfalt in der Küche und Selbstversorgung aus dem eigenen Garten oder der eigenen Obstwiese gewidmet.

„Ein Weizenmischbrot mit insgesamt 120 Metern Länge, bestrichen mit regional produzierter Markenbutter und köstlichem, hausgemachtem Gsälz aus verschiedenen Früchten der heimischen Gärten und Obstwiesen steht nicht nur für das traditionelle Lebensmittelhandwerk, sondern gerade auch für die Möglichkeiten die der Einzelne hat, seine Küche mit Selbstgemachtem zu bereichern“, so Andreas Kofler, Geschäftsführer vom Landesinnungsverband für das Württembergische Bäckerhandwerk.

Das „Größte Gsälzbrot der Welt“ wird von 30 Helfern der Umweltakademie, der Bäckerinnung sowie der Obst- und Gartenbauvereine bestrichen, erläuterte der Geschäftsführer des Landesverbandes für Obstbau, Garten und Landschaft (LOGL) Rolf Heinzelmann. Damit wird jeder Helfer vier Meter Gsälzbrot bestreichen und herrichten. Die Menge an benötigter Butter und Gsälz – wie Marmelade im schwäbisch-alemannischem Sprachraum noch heute genannt wird – ist zwar berechnet, soll aber erst am eigentlichen Aktionstag verraten werden.

Doch eines ist schon sicher: es wird verschiedene Meter mit unterschiedlichen Gsälz-Sorten wie Zwetschge, Erdbeere, Apfel, Quitte und ähnlichem geben.

Die Bürgermeisterin für Kultur, Bildung, Sport der Stadt Stuttgart, Dr. Susanne Eisenmann zeigte sich begeistert über die Idee. „Das Größte Gsälzbrot der Welt ist wie die gesamte Veranstaltungsreihe „Essen 4.0“, in welche die Initiative eingebettet ist, ein hervorragender Beitrag, um Eltern ebenso wie Schüler oder Kindergartenkinder auf die Bedeutung gesunder Ernährung einerseits und den viel zu wenig beachteten Zusammenhängen zwischen Kochen, Küche, Kulturlandschaft und Naturkapital andererseits aufmerksam zu machen. Hierfür brauchen wir neben der Vermittlung von Grundlagenwissen auch Aktionen, die ohne erhobenen Zeigefinger aber mit viel Spaß gerade auch Kindern und Jugendlichen auf ihre eigene – heute leider viel zu wenig vermittelten – Möglichkeiten aufmerksam zu machen“, sagte Dr. Eisenmann.

„Wissenschaftliche Erkenntnisse bringen alleine nichts, wenn sie nicht zu den Leuten kommen“, betonen die Veranstalter. Welche Erfahrungen, Gedanken und Wünsche gerade Schulkinder rund um das Essen haben, soll vor dem Anschnitt des „Größten Gsälzbrotes der Welt“ – der von SWR-Moderatorin Stefanie Anhalt nach Interviews mit verschiedenen Akteuren kommentiert wird – eine Ballonaktion unterstreichen. Vor dem Haus der Wirtschaft und an verschiedenen Stuttgarter Schulen werden insgesamt, der Jahreszahl entsprechend 2016 Luftballone, welche mit ihren Farben die Früchte heimischer Gärten und Obstwiesen symbolisieren, in den Himmel steigen. Daran angehängt sind Grußkarten mit den Gedanken und Wünschen der Kinder zum Thema Essen. Unter Absendern und Findern – also letztlich aus allen zurückgesandten Karten – werden Buchpreise und Schifffahrten zur Erkundung der Neckarnatur verlost.

„Die Themenreihe „Essen 4.0“ der Umweltakademie und ihrer Partner hat den Nachhaltigen Konsum im Fokus und verknüpft wissenschaftliche Diskussion mit Praxiserfahrung und Publikumsaktionen. Eine hervorragende Möglichkeit für breiten Wissenstransfer“, sagte Bürgermeisterin Dr. Eisenmann bei der Präsentation der Veranstaltungsreihe.

Kongress bringt Wissenschaft und Praxis zusammen
Mit einem breit angelegten Kongress „Nachhaltiger Konsum: Essen 4.0 – wie essen wir in der Zukunft?“ startet die Themenreihe am Tag vor dem Gsälzbrot-Event am 22. März 2016 im Haus der Wirtschaft. Namhafte Referenten widmen sich in sechs Fachforen den Auswirkungen des Konsumverhaltens der Bürger in Sachen Essen auf Natur, Landschaft, Umwelt, ihrer eigenen Gesundheit und ihrem Sozialverhalten. „Wir klagen damit nicht an, sondern erläutern den Status Quo in Sachen Ernährung und Umwelt aus Sicht der Nachhaltigkeit und zeigen konkrete Lösungen auf“, erklärt Akademiechef Claus-Peter Hutter. Dies gelte für die gesamte Reihe Essen 4.0, die in verschiedenen Formaten Schwerpunktthemen mit spannenden Veranstaltungen wie etwa „Essen 4.0 – Autopsie Honig“ oder „Essen 4.0 – Autopsie Brot – oder Essen 4.0: Essen wir die Weltmeere leer? – Wie weit darf Kultur Kulinaristik beeinflussen? dem Themenkomplex Lebensmittel, Ernährung, Produktion, Verarbeitung und Konsum auf den Grund geht.

Essen 4.0 – was steht dahinter?

Der Begriff „Essen 4.0“ wurde nach Angaben von Claus-Peter Hutter von der Umweltakademie in Anlehnung an den Begriff Industrie 4.0 entwickelt. Während Industrie 4.0 die verschiedenen Abschnitte industrieller Revolution von der Erfindung der Dampfmaschine bis hin zur jetzigen Verknüpfung von Maschinen, der Informationstechnologie und ganzer Systeme beschreibt, steht Essen 4.0 für die epochalen Paukenschläge der Esskultur in der Menschheitsgeschichte. C.-P. Hutter verweist dabei auf das Sesshaftwerden der Menschen mit Ackerbau und Viehzucht vor rund 10.000 - 6.000 Jahren als dem Beginn von Essen 1.0. Die Erfindung der Konservendose im Jahr 1810 durch den Briten Peter Durant habe als Essen 2.0 nach der jahrtausendelang geübten Praxis der Trocknung von Früchten erstmals ermöglicht, verschiedene, sonst leicht verderbliche Lebensmittel haltbar zu machen und für längere Zeit zu konservieren. Dem folgte die nächste Essensrevolution mit Essen 3.0 und der Erfindung des ersten elektrischen Kühlschrankes durch den Amerikaner Alexander Twinning im Jahr 1834. „Heute stehen wir unter dem Stichwort „Essen 4.0“ einerseits vor ungewöhnlichen Möglichkeiten und andererseits an einem Scheideweg“, erläutern die Veranstaltungspartner. C.-P. Hutter: „Industrialisierung und damit einhergehende Informationstechnologie ermöglicht Massenproduktion und Herstellung billigster Lebensmittel, die jedoch vielfach zu Lasten von Landschaft, Umwelt und Klima gehen. Jedoch intelligent genutzt, könnte Informationstechnologie und deren Verknüpfung mit traditionellem Lebensmittelhandwerk und traditionellen Landbaumethoden gerade die regionale Wertschöpfung stärken, heimische Kulturlandschaft aufwerten und selbst für Großküchen und Schulmensen sowie Einzelverbraucher bessere Qualitäten mit einem viel umwelt- und klimafreundlicherem Fußabdruck ermöglichen. „Wir wollen deshalb auch Produkte aus Garten und Obstwiese wertschätzen, um unser Ziel Gartenkultur fördern und Landschaft zu bewahren weiter voranzubringen“, so Rolf Heinzelmann vom Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft (LOGL).

Ausführliche Informationen zur Veranstaltungsreihe „Essen 4.0 – wie essen wir in der Zukunft“, die mit Kongress und Aktionstag „Das größte Gsälzbrot der Welt“, zehn Schwerpunktveranstaltungen umfasst, gibt es unter:
www.umweltakademie.baden-wuerttemberg.de.

http://www4.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/124362/

Gsälz – als Wort und Brotaufstrich in Baden-Württemberg überlebt!

Das Wort Gsälz kommt ursprünglich von dem Hochdeutschen Wort „Gesälz“ und hat hauptsächlich im schwäbisch-alemannischen Sprachraum „überlebt“. Gesälz stand zunächst für Eingesalzenes. Obwohl nicht Salz sondern Zucker die Hauptzutat ist, heißt der süße Brotaufstrich aus den verschiedensten eingekochten mit Zucker haltbar gemachten Früchten wie Erdbeere, Johannisbeere, Zwetschge, Mirabelle, Pfirsich, Quitte, Apfel und mehr „Gsälz“.

Salzen war früher die einfachste und günstigste Methode, um etwas haltbar zu machen. So kam es zum „Geselchtem“ (also Gepökeltes). Ein Begriff der heute in Bayern und in Teilen Österreichs für gerauchten Bauch und „gesalzene“ Produkte verwendet wird.

Doch es kam im Laufe der Zeit dazu, dass einst auch das Konservieren durch Einkochen mit Zucker mit dem Begriff Geselchts und Gesälz bezeichnet wurde. Als man schließlich ausreichend Zucker zur Verfügung hatte, machte man so viele Beeren und andere Früchte damit haltbar, dass der Begriff für „Eingemachtes“, also „Gesälz“ nach und nach Allgemeinbegriff für haltbar gemachte Früchte wurde. Der früher also viel weiter verbreitete Begriff hat sprachlich in Form des Gsälz in vielen Teilen Baden-Württembergs ebenso überlebt wie die Tradition der Gsälzzubereitung. Dabei gibt es wohl so viele Gsälzsorten und Geschmacksrichtungen wie Menschen die Gsälz einkochen. Viele Schwaben fassen unter Gsälz Marmelade, Konfitüre, Gelee und Chutneys zusammen.

 
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