7.10.16 Kommission zur Überprüfung der Freiburger
Straßennamen stellt ihre Ergebnisse vor
Stadt macht Empfehlungen transparent – Bürgerinnen
und Bürger wurden vom Bürgermeisteramt umfangreich informiert
- Für 12 Straßen empfiehlt Kommission eine Umbenennung
(stfr) Vier Jahre lang hat es gedauert, nun liegt der 96 Seiten umfassende
Bericht zur Überprüfung der rund 1.300 Freiburger Straßennamen
vor. Eine eigens von der Stadt berufene Kommission hat untersucht,
welche Würdigungen von Personen und Ereignissen durch die
Benennung einer Straße aus heutiger Sicht nicht mehr angemessen
erscheinen.
Immer wieder gab es Beschwerden aus der Bürgerschaft über
unterschiedliche Freiburger Straßennamen. Gefordert wurde
in der Regel, dass die jeweiligen Straßen umbenannt werden
sollten.
Über den jeweiligen Einzelfall hinaus stellte sich die grundsätzliche
Frage, wie man mit früheren Ehrungen durch Straßenbenennungen,
denen heute nicht mehr akzeptable Einstellungen und Haltungen zugrunde
liegen, umgeht. Wie schon andere Städte zuvor, wie beispielsweise
Berlin, Frankfurt, Hamburg oder Münster, hat sich die Stadt
dieser umfangreichen Problematik gestellt. Eine vom Gemeinderat
auf Vorschlag der Verwaltung eigens berufene Kommission von Expertinnen
und Experten hat sämtliche Freiburger Straßenbenennungen
wissenschaftlich untersucht.
„Für uns ist es sehr wichtig, dass die Ergebnisse der
Kommission sofort öffentlich werden. Nun liegen klare Handlungsempfehlungen
auf dem Tisch, die sicher in der Freiburger Bürgerschaft und
von der Politik kontrovers diskutiert werden“, so Oberbürgermeister
Dieter Salomon anlässlich der Vorstellung des Gutachtens zu
den Straßennamen. „Da wir in einer offenen, pluralistischen
und lebendigen Gesellschaft leben, gehören solche Diskussionen
mit dazu“.
Und Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach: „Unser
Dank gilt der äußerst intensiven Arbeit der Mitglieder
der Kommission! Wenn der Gemeinderat den Empfehlungen folgt, haben
wir sicher einen längeren Umsetzungsprozess vor uns. Dieser
beginnt vom Beschluss jeder einzelnen Straße durch den Gemeinderat, über
viele Bürgeranhörungen bis zu zahlreichen Informationsveranstaltungen.“ Die
Federführung für das Projekt oblag dem Kulturamt, Abteilung
Stadtarchiv. Mit der wissenschaftlichen Recherche wurde der Historiker
Volker Ilgen beauftragt. Parallel wurde eine achtköpfige Kommission
aus Historikerinnen und Historikern, einer Soziologin, einer Politologin
und Archivarinnen und Archivaren berufen, die die einzelnen Straßennamen überprüften
und bewerteten. Unter dem Vorsitz von Professor Bernd Martin, dem
ehemaligen geschäftsführenden Direktor der Universität
Freiburg, tagte die Kommission insgesamt 18 Mal.
In einem ersten Schritt wurde danach gefragt, durch wen der jeweilige
Benennungsvorschlag zu welchem Zeitpunkt erfolgte. Im nächsten
Schritt wurden die Stellungnahmen der städtischen Instanzen
und der endgültige Gemeinderatsbeschluss erfasst.
Zentrale Kriterien der Prüfung waren unter anderem die aktive
Förderung des Nationalsozialismus beziehungsweise des NS-Unrechtsstaates
von führender Position aus, aggressiver Antisemitismus bei
solchen Personen, die Multiplikatoren darstellten und über
entsprechenden Einfluss verfügten, aber auch extreme unzeitgemäße
Frauenfeindlichkeit, Militarismus in Form der Glorifizierung des
Ersten Weltkrieges und nachgewiesener Rassismus.
Im Ergebnis empfiehlt die Kommission für 12 Straßen
(Kategorie A) eine Umbenennung, da die bisherige Straßenbenennung
nicht mehr haltbar ist. Weitere 15 Straßennamen (Kategorie
B) erachtete die Kommission als diskussionswürdig. In diesen
Fällen empfiehlt die Kommission, neben den bisherigen Schildern
zusätzlich Erläuterungsschilder anzubringen. Die Kategorie
C gilt als 3 unbelastet. Bei 44 Straßen (Kategorie C1) merkte
die Kommission allerdings an, dass diese Straßennamen nach
heutiger Beurteilung so nicht mehr gewählt würden. Für
das so genannte Heldenviertel rät die Kommission - abgesehen
von der Umbenennung der Gallwitzstraße - zu einer Umwidmung
oder Uminterpretierung der Namen im Sinne einer Opferperspektive
an Stelle einer „Heldenverehrung“.
Gestern Abend wurden die umfangreichen Ergebnisse der Kommission
zur Überprüfung der Straßennamen in einer Bürgerinformation
unter Leitung von Oberbürgermeister Dieter Salomon interessierten
Freiburgerinnen und Freiburgern vorgestellt. Am 18. Oktober wird
der Bericht dem Gemeinderat zur Entscheidung vorgelegt. Nach der
Entscheidung des Gemeinderats wird die Verwaltung dann sukzessive
für jede umzubenennende Straße Anlieger- und Bürgeranhörungen
und Informationsveranstaltungen anbieten. Zudem können rechtliche
Auseinandersetzungen mit Anliegern der betroffenen Straßen
nicht ausgeschlossen werden. Jede einzelne Umbenennung muss vom
Gemeinderat gesondert beschlossen werden. Für die Erläuterungstafeln
wird das Stadtarchiv die Texte entwerfen.
Hier nun die Empfehlungen der Kommission: Die folgenden Straßennamen
der Kategorien A und B sind einzeln geprüft worden und mit
einem Einzelgutachten unterlegt. Diese 27 Einzelgutachten sind
in dem Bericht der Kommission vollständig enthalten.
Kategorie A (12 Straßen) - Umbenennung empfohlen
Alban-Stolz-Straße
Eckerstraße
Gallwitzstraße
Hegarstraße
Hindenburgstraße
Julius-Brecht-Straße
Lexerstraße
Ludwig-Aschoff-Platz
Ludwig-Heilmeyer-Weg
Martin-Heidegger-Weg
Rennerstraße
Sepp-Allgeier-Straße
Kategorie B (15 Straßen) - Erläuterungsschild
empfohlen
Arndtstraße
Conrad-Gröber-Straße
Fichtestraße
Freytagstraße
Hansjakobstraße
Hermann-Mitsch-Straße
Jahnstraße
Körnerstraße
Linnéstraße
Richard-Strauss-Straße
Richard-Wagner-Straße
Seitzstraße
Staudingerstraße1
Weismannstraße2
Zasiusstraße
1nach Hermann und Magda Staudinger benannt
2nach August Weismann und seinem Sohn Julius benannt
Und hier die Mitglieder der Kommission:
Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Bernd Martin (Historiker, ehemaliger
geschäftsführender Direktor des Historischen Seminars
der Universität Freiburg und Gastprofessor an verschiedenen
Universitäten in Europa und Asien) gehörten diesem
Gremium an:
Prof. Dr. Nina Degele (Soziologin an der Universität Freiburg)
Prof. Dr. Bernd Grewe (Historiker an der Pädagogischen Hochschule
Freiburg)
Dr. Christiane Pfanz-Sponagel (Archivarin und Historikerin beim
Stadtarchiv Freiburg bis Februar 2016)
Dr. Beate Rosenzweig (Politologin und stellv. Institutsleiterin
Haus Wiesneck)
Dr. Christoph Schmider (Archivar und Historiker beim Erzbischöflichen
Archiv)
Dr. Heinrich Schwendemann (Historiker an der Universität Freiburg).
Das Gutachten kann unter www.freiburg.de/strassennamen heruntergeladen
werden.
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