1.6.15
Regierungspräsidium Karlsruhe weist
das neue Naturschutzgebiet „Brombacher Tal“ im Rhein-Neckar-Kreis
aus
(rpk) Regierungspräsidentin Nicolette Kressl
hat (heute, am 28. Mai 2015) im Eberbacher Ortsteil Brombach die
Rechtsverordnung für das Naturschutzgebiet „Brombacher
Tal“ unterschrieben und damit das „Brombacher Tal“ als
neues Naturschutzgebiet ausgewiesen. Es ist das zweite Naturschutzgebiet
auf Gemarkungen der Stadt Eberbach, das 49. Naturschutzgebiet des
Rhein-Neckar-Kreises und das 226. Naturschutzgebiet im Regierungsbezirk
Karlsruhe.
In Anwesenheit von Bürgermeister Peter Reichert, Ortsvorsteher
Victor Hartmann, dem ersten Landesbeamten des Rhein-Neckar-Kreises,
Joachim Bauer, Vertretern des Gemeinderates Eberbach, des Ortschaftsrats
Brombach und der interessierten Öffentlichkeit unterzeichnete
sie die Verordnung für das Naturschutzgebiet.
Regierungspräsidentin Nicolette Kressl stellte das 19 Hektar
große Naturschutzgebiet als „Juwel im Odenwald“ vor:
Ein Tal von außerordentlicher landschaftlicher Schönheit
und ohne naturstörende Nutzungen, man meine fast, die Zeit
sei vor 100 Jahren stillgestanden. Mit dem Bezug zur Heimat kam
Regierungspräsidentin Nicolette Kressl auch auf einen wenig
beachteten Naturschutzaspekt zu sprechen: „Wir weisen Naturschutzgebiete
nicht nur für gefährdete Arten aus, in der Hoffnung und
Absicht, deren Populationen zu schützen und zu fördern.
Wir weisen sie auch für uns selbst, für unser Wohlbefinden,
und für unsere Identifikation mit der Heimat aus. In solchen
Gebieten können wir durchatmen und uns von der Hektik des
Alltags erholen“. Aus gutem Grund sei die ruhige Naherholung
in allen Naturschutzgebieten des Landes willkommen: So leiste der
Naturschutz nicht nur einen Beitrag zur Erhaltung von Lebensräumen
und Arten, sondern auch für das Wohlbefinden aller, und damit
zum Zusammenhalt der Gesellschaft.
Das „Brombacher Tal“ wird auf Grund der zahlreich
vorkommenden, seltenen Tierarten Naturschutzgebiet. An erster Stelle
wurde die Äskulap-Natter genannt, eine für den Menschen
völlig ungefährliche und bis zu 180 Zentimeter lange
Schlange, die in Baden-Württemberg nur hier, im Neckartal
zwischen Heidelberg und Eberbach, vorkommt. Dies sei nun das erste
Naturschutzgebiet, welches dieser schönen und extrem seltenen
Art gewidmet sei, betonte die Regierungspräsidentin, und dankte
in diesem Zusammenhang der „Arbeitsgemeinschaft Äskulap-Natter“,
die für die Schlange Ruhe- und Eiablageplätze im Tal
geschaffen habe. Weiter gäbt es hier nicht weniger als 34
Schmetterlingsarten, davon 11 auf der Roten Liste oder der Vorwarnliste,
und 20 Heuschreckenarten, davon 6 auf der Roten Liste oder der
Vorwarnliste.
Als weiteren Grund für die Unterschutzstellung nannte die
Regierungspräsidentin die Schutzbedürftigkeit des Tals.
In erster Linie sei so ein Wiesental bedroht durch die Aufgabe
der Wiesenwirtschaft. Die könne aber nur aufrechterhalten
werden, wenn sie von der öffentlichen Hand finanziell unterstützt
würde. Insofern sei die Ausweisung eines Naturschutzgebietes
eine Art Pflegeversicherung für die Erhaltung einer Kulturlandschaft,
denn hier würde die Naturschutzverwaltung immer prioritär
die Landschaftspflege in Form von Beweidung oder Zurückdrängung
von Gebüsch, Brombeeren und Adlerfarn fördern.
Nicolette Kressl dankte in diesem Zusammenhang Allen, die sich
an der Landschaftspflege beteiligt haben: Dem Schäfer Alfons
Gimber, dessen Vater bereits im Brombachtal gehütet hätte,
dem Vertreter der unteren Naturschutzbehörde Andreas Weidenthaler,
der eine drohende Aufforstung abgewehrt und rückgängig
gemacht und über viele Jahre die Pflege des Tals organisiert
habe und nicht zuletzt dem Ortsvorsteher Hartmann mit seinem Ortschaftsrat,
die selbst Gehölze entfernt und damit den Lebensraum für Äskulap-Natter
und Co. erhalten hätten.
Natürlich sei auch dieses Gebiet schutzbedürftig in Bezug
auf Privatgärten, Pferdekoppeln oder anderen freizeit-orientierten
Nutzungen, die es hier noch nicht gibt. Hier gibt die Verordnung
nun vor, dass bei künftigen Veränderungen der Nutzung
die Funktion des Tals als Lebensraum wildlebender Pflanzen und
Tiere Vorrang hat.
Die Regierungspräsidentin freute sich ausdrücklich über
den breiten Konsens, den die Ausweisung eines Naturschutzgebietes
hier gefunden hat: Stadtverwaltung, Ortschaftsrat und Gemeinderat
standen dem Vorhaben von Anfang an positiv gegenüber. Die
beiden Gremien haben die Verordnung einstimmig gut geheißen.
Nicht ein einziger Bürger habe sich in der Offenlage ablehnend
geäußert.
Im Gegenteil, Nicolette Kressl hatte sogar Anlass, sich für
eine großzügige Spende einer Heidelberger Familie zu
Gunsten der Naturschutzverbandes NABU zu bedanken, denn vier Grundstücke,
ursprünglich zur Gewinnerzielung gekauft, werden nun der Natur überlassen. „Naturschutz
lebt von der Großzügigkeit, nicht alles maximal zu nutzen“,
betonte die Regierungspräsidentin, „denn nur so bewahren
wir die Natur, die Teil unserer Heimat ist, in ihrer Vielfalt und
Schönheit“. In ihren Dank schloss Nicolette Kressl auch
alle anderen Privateigentümer ein, deren Flächen zwar
weiter beweidet werden, aber nicht mehr für wirtschaftlich
orientierte Nutzungsänderungen zur Verfügung stehen.
In Kürze wird die Verordnung im Gesetzblatt des Landes veröffentlicht.
Zwei Wochen später erlangt sie Rechtskraft.
Hintergrundinformation:
Das Brombacher Tal unterhalb des Ortes Brombach ist ein landschaftlich
reizvolles, von Wald umgebenes Wiesental des Odenwaldes. Ein Wanderschäfer
betreibt hier eine extensive landwirtschaftliche Nutzung, Äcker
und Gärten gibt es nicht.
Die in diesem Abschnitt des Brombachtals vorkommenden Tier- und
Pflanzenarten wurden 2013 kartiert. Dokumentiert wurden Biotoptypen
sowie die vorkommenden Arten aus der Gruppe der Vögel, der
Reptilien, der Amphibien, der Heuschrecken, der Schmetterlinge
sowie der im Brombach lebenden Organismen.
Von zentralem naturschutzfachlichem Interesse war
der Nachweis mehrerer Exemplare der in Baden-Württemberg (BW)
vom Aussterben bedrohten Äskulapnatter (Zamenis longissima).
Der Nachweis sowohl von zwei Jungtieren als auch von zwei geschlechtsreifen
Tieren belegt, dass die Äskulapnatter sich im Brombachtal
fortpflanzt. Damit wäre dies das erste Naturschutzgebiet
Baden-Württembergs, in dem diese Art vorkommt. Als weitere,
in BW vom Aussterben bedrohte Arten wurde der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling
(Maculinea teleius) neben seiner Schwesterart, dem in BW gefährdeten
Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling (M. nausithous) sowie
im Brombach die Köcherfliege Diplectrona felix nachgewiesen.
Fünf im Gebiet lebende Arten sind in BW stark gefährdet:
die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii), die Breitflügel-Fledermaus
(Eptesicus serotinus), das Große Mausohr (Myotis myotis),
die Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) sowie im Brombach die
Köcherfliege Adicella reducta.
Das Brombachtal zeichnet sich darüber hinaus durch eine artenreiche
Schmetterlingfauna aus: 34 Schmetterlingsarten, davon elf auf der
Roten Liste oder der Vorwarnliste BW, wurden 2013 nachgewiesen.
Bekannte Arten sind der Admiral (Vanessa atalanta), der Aurora-Falter
(Anthocharis cardamine), der Distel-Falter (Cynthia cardui), Hauhechel-
und Faulbaumbläuling (Polyommatus icarus und Celastrina argiolus),
das Landkärtchen (Araschnia levana) und der Mädesüß-Perlmutterfalter
(Brenthis ino). Allerdings fanden die Kartierer bei 14 Arten in
fünf Begehungen nur 5 oder weniger Individuen: Hinweis darauf,
dass eine Aufwertung der Larvalhabitate und Vergrößerung
des Blütenangebots dringend geboten ist.
Der Brombach selbst enthält sauberstes Wasser (Saprobienindex
1,4) und ist der Lebensraum einer beeindruckenden Vielzahl von
Organismen: nicht weniger als 51 Arten wurden nachgewiesen, in
einer Dichte von 590 Exemplaren/m2 Steinoberfläche. Einziger
Wermutstropfen: der überall extrem selten gewordene oder ausgestorbene
Steinkrebs konnte nicht nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse belegen, dass das Tal als Lebensraum auch extrem
seltener und gefährdeter Tierarten höchst schützenswert
ist und – dank der vorkommenden, vom Aussterben bedrohten
oder stark gefährdeten Arten - die naturschutzfachlichen Kriterien
eines landesweit bedeutsamen Naturschutzgebietes erfüllt.
Die Gefährdung des Brombachtals besteht im Wegfall der extensiven
Wiesennutzung und der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung
und der Freizeit-Aktivitäten. Dies ist nun durch den Erlass
der Verordnung abgewendet: die Landschaftspflege wird aktiv von
der Naturschutzverwaltung betreut, naturunverträgliche Nutzungsänderungen
oder Freizeit-Aktivitäten wären ordnungswidrig. |