24.2.07
Das deutsche Militär und seine "Kanonenbahn"
Regierungspräsidium Freiburg stellt die "Sauschwänzlebahn" unter
besonderen Denkmalschutz
Das Regierungspräsidium Freiburg hat dieser Tage die Wutachtalbahn,
im Volksmund "Sauschwänzlebahn" genannt, unter besonderen Denkmalschutz
gestellt und dies durch Eintragung in das amtliche Denkmalbuch
unterstrichen. Die Ende des 19. Jahrhunderts für militärische
Zwecke gebaute Wutachtalbahn ist die einzige Bahnstrecke ihrer
Art in Deutschland, die seit dieser Zeit nahezu unverändert erhalten
geblieben ist. Äußerst selten sind die vielen originalen Brückenbauwerke
und die Tunnels einschließlich des in Deutschland einzigartigen
Kehrtunnels an der Stockhalde. Dieser Kehrtunnel - die Bahn überwindet
im Berg einen Höhenunterschied von ca. 15 m durch Trassenführung
als Schleife auf unterschiedlicher Ebene - ist in seiner Art in
Deutschland einzigartig. Er wird wegen seiner Form auch Spiraltunnel
genannt, seine Form hat der ländlichen Bevölkerung damals die
Bezeichnung "Sauschwänzle" gleichsam in den Mund gelegt. Dieser
Name hat sich durchgesetzt und findet sich auch als markanter
und einprägsamer Hinweis auf den touristischen Hinweisschildern.
Die Erhaltung der Wutachtalbahn liegt wegen ihres hohen dokumentarischen
Seltenheitswertes als technisches Kulturdenkmal ersten Ranges
daher im besonderen öffentlichen Interesse, zumal sie ein hervorragendes
Zeugnis großherzoglich-badischer Ingenieurbaukunst Ende des 19.Jahrhunderts
ist.
Die Bahnstrecke hat eine interessante Geschichte. Die Militärstrategen
des Deutschen Reiches forderten vor dem Hintergrund des 1870/71
geführten Krieges gegen Frankreich eine Bahn zum Transport von
Armeegütern vom Donauraum ins Elsass. Die Strecke sollte das Schweizer
Territorium umgehen, damit die Schweiz im Kriegsfall die Durchfahrt
deutscher Militärfahrzeuge auf der Hochrheinstrecke nicht sperren
konnte. So kam es zur Planung der Wutachtalbahn, die schließlich
1887 bis 1890 unter der Leitung des großherzoglich-badischen Baudirektors
von Würthenau erbaut wurde. Dazu holte man zahlreiche Mineure,
also erprobte Facharbeiter des Tunnelbaus, aus Österreich und
Tausende Arbeiter aus Italien. Die Planung veranschaulicht das
nationalstaatliche Denken in den Gründerjahren des Deutschen Reiches
nach dem Krieg gegen Frankreich 1870/71. Innerhalb von nur vier
Jahren wurde die Wutachtalbahn fertiggestellt. Dies unterstreicht
die herausragende Bedeutung der hochentwickelten badischen Ingenieurbaukunst
Ende des 19. Jahrhunderts. Die Linie Weizen-Hintschingen wurde
in zwei Abteilungen errichtet, eine Bergstrecke von Weizen bis
Zollhaus und eine Talstrecke von Zollhaus bis Hintschingen. Bei
der Bergstrecke musste auf eine Entfernung von 9,5 km Luftlinie
ein Höhenunterschied von 230,5 m überwunden werden; dazu waren
zahlreiche aus damaliger Sicht kühne Ingenieurbauten erforderlich.
Um bei schweren Zügen unkontrollierbaren Bremsschub zu vermeiden,
durfte die Maximalsteigung nur 1 % betragen - deshalb auch die
verschlungene Streckenführung von Weizen nach Blumberg. Die Militärs
redeten bei der technischen Planung weitgehend mit. Alle 8 km
forderten sie Ausweichgleise und Laderampen für Militärfahrzeuge.
Durch die militärischen Nutzungsvorgaben wurden die Brücken auf
die schweren Belastungen durch die bis zu 140 Tonnen wiegende
zu transportierende Artillerie ausgelegt. Die Brücken konnten
deshalb auch später höhere Achslasten und Lokomotivgewichte unverändert
tragen. Neben der besonderen Ingenieurleistung der fünf großen
Brücken mit 834 m Gesamtlänge enthält die "Kanonenbahn" auf einer
Strecke von ca. 26 km weitere 40 Brücken, Unter- und Überführungen
sowie 70 gewölbte und offene Durchlässe. Auch die sechs Tunnelanlagen
mit einer Gesamtlänge von 4.560 m, von denen drei als Sporntunnel
ausgelegt sind, stellen eine besondere Ingenieurleistung dar.
Das imposanteste Tunnelbauwerk ist Deutschlands einziger Kehrtunnel
an der Stockhalde - geographisch nicht notwendig, lediglich erzwungen
durch die Vorgabe der Militärs. Im Denkmalbuch eingetragen sind
der gesamte Bahnkörper mit allen Kunstbauten der Erbauungszeit
wie Brücken, Tunnel, Bahnstreckenhäuser, Bahnhöfe, Stützmauern,
Laderampen, Telefonhäuser, Kilometersteine oder Versorgungseinrichtungen
für die Lokomotiven. 1923 erlebte die Wutachtalbahn ihre Blütezeit.
Der gesamte Eisenbahnverkehr der Oberrhein-Linie musste damals
wegen der Besetzung Offenburgs durch die Franzosen über den Schwarzwald
geführt werden. 1955 wurde die Bahnstrecke stillgelegt, wenige
Jahre später aber von der Nato 1962 bis 1965 aus strategischen
Gründen renoviert, schließlich 1976 endgültig stillgelegt. Die
Deutsche Bundesbahn stellte 1977 der Stadt Blumberg die Strecke
zur Verfügung. Seither wird sie als Museumsbahn betrieben. Weil
der Unterhalt der Bahnlinie einerseits sehr aufwändig, andererseits
die "Sauschwänzlebahn" als Denkmal und touristische Attraktion
einmalig ist, beteiligt sich das Land regelmäßig durch die Gewährung
von Zuschüssen aus der Denkmal -und Tourismusförderung, seit 1999
waren es bis heute über 3 Mio. Euro.
Hinweis: Sehr anschaulich und interessant ist: www.sauschwaenzlebahn.de.
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