28.10.06
Karlsruhe:
Kulturgüterstreit - Alles andere als Entwarnung
"3-Säulen-Modell
bedeutet einen tiefen Eingriff in die Kultur des Landes"
Nach
übereinstimmender Auffassung von Dr. Ehrle, des Leiters der Badischen
Landesbibliothek, und Prof. Klose, des Vorsitzenden der Badischen
Bibliotheksgesellschaft, ist der Streit um die badischen Handschriften
noch keineswegs entschärft, geschweigedenn ad acta gelegt. Dies
betonten beide bei der Eröffnung der Ausstellung "Mittelalterliche
Handschriften der Badischen Landesbibliothek - Europäisches Kulturerbe". Die
mittelalterlichen Handschriften, die durch Auslagerung schon 1939
vor dem Schicksal der übrigen Bestände des Landesbibliothek bewahrt
wurden, seien als Ensembe ein Kulturerbe von europäischem Rang,
erläuterte Dr. Ehrle. Sie aufzugeben bedeute einen Vertrauensverlust
gegenüber der Schutzaufgabe des Staates. Zur Frage der Eigentumsverhältnisse
erläuterten die beiden Fachleute, dass mit Landtagsbeschluss vom
25. März 1919 das Eigentum an den Domänenvermögen auf das Land
Baden übergangen sei. Die Rechte des Landes an den Kunstschätzen
seien also absolut nicht so zweifelhaft, wie die Landesregierung
das darstelle. Das von der Landesregierung favorisierte 3-Säulen-Modell,
Gelder der Landesstiftung, privater Sponsoren und des Kulturhaushalts
zur Finanzierung der erforderlichen 30 Millionen € zusammenzuführen,
sei eine akute Gefährung. Die Gründe dafür: Die für die Handschriften
abgezweigten Gelder stehen den übrigen Fördermaßnahmen nicht zur
Verfügung, es werde also nur anderswo eingespart. Ebenso liege
der Fall bei der Kürzung von Ankaufsmitteln aus dem Kulturetat.
Auf Jahre hinaus seien also damit die baden-württembergischen
Kulturinstitutionen zur Mittelmäßigkeit verdammt. Hauptgefahr
für die Handschriften sei jedoch ihre Unterwerfung unter Maßgaben
aus Sponsorenverträgen. Mit einem Sposoring erwerbe der Geldgeber
Eigentum an den Handschriften, die er dann als Leihgabe wieder
- so die Vorstellung der Landesregierung - der Badischen Landesbibliothek
zur Verfügugn stellen könne. Was aber geschähe, wenn der Sponsor
Konkurs anmelde oder von einem anderen Investor aufgekauft würde?
Dann seien die Handschriften selbstverständlicher Bestandteil
des Firmenvermögens und würden als totes Kapital behandelt. Darüber
hinaus habe der Investor natürlich Ansprüche, sein Eigentum auch
zur Hebung des eigenen Firmenimages einzusetzen. Das heißt, er
würde es mit größter Selbstverständlichkeit sowohl Geschäftspartnern
zeigen als auch in verschiedenen Ausstellungen als "sein" Kulturgut
präsentieren wollen. 500 oder 800 Jahre altes Kulturgut, das extrem
sensibel auf Umwelteinflüsse reagiert, einer solchen Behandlung
auszusetzen, käme einer schnellen Vernichtung der Handschriften
gleich. Nicht umsonst würden nach zeitgemäßen Kriterien Handschriften
nur noch - wenn überhaupt - alle acht Jahre der Öffentlichkeit
gezeigt. Natürlich könne das Land in den Sponsorenverträgen solche
Dinge regeln. Wenn man aber keine Sponoren mehr finde. so die
Bedenken weiter, werde das Land auch zu ungünstigeren Konditionen
abschließen.
Deutschland,
Europa, ja die Welt blickt auf Baden-Württemberg.
Wenn hier die Dämme brechen, wenn Kulturgut verkauft wird, um
den Staatshaushalt zu entlasten, dann brechen die Dämme, dann
sinkt der Respekt gegenüber dem historischen Erbe. Dann bekommt
Baden-Württemberg einen eher ungewollten Spitzenplatz in der Kulturlandschaft.
"Wehret den Anfängen!", so der Aufruf der Karlsruher Experten.
Vetreter des deutschen Adels seien bekanntermaßen im internationalen
Kunsthandel auf der gezielten Suche nach unklaren Besitzverhältnissen.
Das Protokoll
der landtagssitzung vom 11. 10.06 ist unter http://www.landtag-bw.de/dokumente/plenarprotokolle/index.asp
nachzulesen.
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