LOPODVNVM I:

Römische Ausgrabungen in Ladenburg

Wenn Archäologen ihr Handwerkszeug ansetzen, dann richten sie notwendigerweise Zerstörungen an - Zerstörungen in den Erdschichten, die sie beseitigen müssen, um das zu untersuchen, was darunter liegt. Was sie aber abräumen müssen, bleibt unwiederbringlich verloren. Das ist inzwischen eine Binsenweisheit, für die man nicht unbedingt Schliemanns "Suchschnitt" durch den Schutthügel von Troja als Beispiel heranziehen muß. Um so notwendiger ist einerseits eine akribische Untersuchung der Schichten, die abgeräumt werden, um so unerläßlicher ist auch eine exakte Dokumentation der gesamten Grabung einschließlich aller, auch der unwichtigsten Nebenumstände. Denn es muß nicht unbedingt eine anschließende Überbauung sein, die den Fundplatz "versiegelt".

An solchen Richtlinien orientiert sich die Untersuchung, die Hartmut Kaiser und C. Sebastian Sommer über die Ausgrabungen auf dem Ladenburger Kellereiplatz vorlegen. Hier hatten die Archäologen der Denkmalpflege von 1981 bis 1985 Zeit für eine großflächige Grabungskampagne - ohne den laufenden Motor des Baggers im Hintergrund. Das Ergebnis ist eine wissenschaftliche Dokumentation, die auch die kleinste Bodenspur römischer Herkunft erwähnt und beschreibt.

Kaiser und Sommer beginnen ganz von vorn: Mit einer Geschichte der Ladenburger Ausgrabungen, wie sie bisher noch nicht - "seit 1868 nicht mehr" - in dieser Vollständigkeit vorgelegt wurde. Zwischen 1859 und 1945 hat vor allem der Mannheimer Altertumsverein die Forschungen über das römische Ladenburg betrieben, Ausgrabungen durchgeführt - und die Funde nach Mannheim ins Museum gebracht. Einen Markstein in der Geschichtsschreibung bedeutete die Entdeckung, daß mit dem bei Ausonius genannten Lupodunum wirklich das Städtchen am Neckar gemeint ist. Marquard Freher hatte das schon 1599 behauptet, 1867 gefundene Steinbalken mit der Abkürzung des Civitas-Namens gaben dann endlich den Ausschlag. 1893 gelang Karl Zangemeister die endgültige Auflösung des Namens, den die Autoren gemäß einer 1990 veröffentlichten Korrektur jetzt als CIVITAS ULPIA SUEBORUM NICRENSIUM lesen.

Große Fortschritte, aber auch große Verluste brachte die Erschließung des südlichen Teils der römischen Stadt in den 1960er Jahren, wo vor allem der Verlauf der römischen Mauer, dann aber auch die Existenz des einzigen römischen Theaters im Dekumatland - leider war der Bagger schneller - festgestellt werden konnte. Immer noch aber war die Besiedlung nur in einer Häuserzeile links und rechts der Straße nach Neuenheim nachzuweisen (so Baatz in seiner Monographie von 1962). Die Ausgrabungen der 60er und 70er Jahre brachten dann den Nachweis von mindestens zwei Quer- und einer Parallelstraße, einem Mithräum, einer ausgedehnten Badeanlage und eines großen öffentlichen Gebäudes ("mansio"). Organisation, Durchführung und Dokumentation der Grabungen waren in dieser Zeit fast ausschließlich Anlegenheit des verdienten Archäologen Berndmark Heukemes und des Heimatbundes Ladenburg. Erst seit 1980 gräbt das Landesdenkmalamt kontinuierlich in Ladenburg, vor allem unter der Leitung von Hartmut Kaiser als eigens für Ladenburg angestellten Wissenschaftlers.

Auf dieser Forschungsgeschichte, die bisher fast ausschließlich die Südstadt zum Gegenstand hatte, baut die Grabungskampagne am Kellereiplatz auf. Die Freifläche stand seit 1964 durch Abriß der Altbebauung (Cronberger Hof) offen, eine Bebauung war nicht in Sicht - ideale Verhältnisse für die Archäologie. Das Gelände umfaßt immerhin 3000 m2 und erlaubte so eine großflächige Untersuchung.

Kaiser und Sommer weisen in dem ergrabenen Areal eine Bebauung nach, die sich, wie schon im Süden der Stadt festgestellt, entlang der nach Worms und Mainz führenden Fernstraße erstreckt. Diese Straße erweitert sich im Grabungsbereich zu einem Platz, der gegen Ende der städtischen Siedlung von repräsentativen Häsern gesäumt wird. Die Bebauung selbst läßt sich in vier Phasen gliedern, die sich zwar von Gebäude zu Gebäude überschneiden, aber dennoch eine schlüssige Abfolge ergeben: In vespasianischer Zeit (69 - 79 n. Chr.) wurde mit der Bebauung des Platzes begonnen, die Gebäude hatten gemeinsame Außenwände, diese waren zunächst in Einzelpfostengruben fundamentiert. Um 99 n. Chr. sank diese Bebauung in einem großen Brand in Schutt und Asche. Die nächste Bauphase war aufwendiger konstruiert, statt einzelnen Pfostengruben wurden Pfostengräbchen aufgedeckt, die Gebäude selbst waren immer noch aus Holz. Sie läßt sich auf 101/103 n. Chr. datieren. Zwischen 125 und 169 n. Chr. schließlich begann die großzügige Neugestaltung: Steingebäude ersetzten die Holzhäuser, die alte Parzelleneinteilung wurde teilweise zugunsten größerer Gebäude aufgegeben - der Platz an der Hauptstraße erhielt ein repräsentatives Gesicht. Es ist die Blütezeit der städtischen Siedlung Ladenburg mit seinem keltisch-unaussprechlichen Namen.

Die repräsentative Bebauung der 4. Bauphase ersetzte nun auf der Westseite zwei der langgestreckten alten Häuser durch ein großes neues Gebäude, das zum Platz hin einen Portikus mit drei großen Arkaden mit jeweils 3,6 m Weite öffnete. Ein über 20 m langer Hof dahinter erschloß die übrigen Teile, von denen ein quergestellter Riegel an der Rückseite zweistöckig rekonstruiert werden konnte. Ein eigenes Gebäude im Hof hatte eine Hypokaust-Heizanlage. Das Gebäude daneben dürfte in seinem vorderen Bereich wohl in derselben Tiefe eine Protikus gehabt haben, war aber insgesamt auch in der letzten Bauphase einfacher gehalten.

Auch auf der Ostseite, schräg gegenüber, war die Straße von einer überdachten Passage in der Front der Häuser (Portici) begrenzt. Dem großen Gebäude mit Porticus im Westen fast unmittelbar gegenüber liegt ein ebenfalls um einen Innenhof gruppiertes, das seinen Frontbereich in einer Säulenstellung gegen den Platz öffnet. In der letzten Bauphase war diese Front monumental gestaltet, es lassen sich zwei starke Säulen links und rechts des Eingangs rekonstruieren, was auf einen bekrönenden Dreiecksgiebel schließen läßt. Der Innenhof war als säulenumstandenes Peristyl gestaltet.

Mitten auf dem Platz stand ein rundes Gebäude, zunächst in Holz, später in Stein errichtet. Einzig die Dachform läßt sich als Zeltdach rekonstruieren, alles andere - ob Säulenaufbau oder geschlossen, auch die Zweckbestimmung - bleibt Hypothese.

Älteste Spur im Boden ist ein Spitzgraben im Westen des Grabungsgebiets, bis zu 3,8 m breit und ca. 2 m tief. Er gehört zum ersten Ladenburger Kastell, das damit an anderer Stelle als das spätere Holz-Erde- und Steinkastell nachgewiesen ist. Auch dieses Kastell richtet seine Lage schon nach der Fernstraße Worms - Heidelberg aus.

Die Arbeit wird begleitet von einer Diskussion jedes einzelnen Rekonstruktionsversuchs, von Belegen aller Fundumstände, von Listen von Pfostengruben und Münzen, über die der Laie hinweglesen muß, da ihm ihre Lektüre wohl ebensolchen Genuß bereitet wie die Lektüre einer Partitur. Vor allem aber enthält die Ausgabe einen Beilagenteil, in dem jeder einzelne Ausgrabungsbefund, unterteilt nach den Phasen der Bebauung, zeichnerisch wiedergegeben ist. In diesem Beilagenteil enthalten ist eine neue Karte &endash; LOPODVNVM - Gesamtplan des römischen Ladenburg &endash; im Maßstab 1 : 2500, die den Stand der archäologischen Forschung des Jahres 1986 zusammenfassend kartiert. Sie ersetzt damit die 1962 der Monographie von Baatz beigelegte ältere Karte.

Kaiser, Hartmut/ Sommer, C. Sebastian: LOPODVNVM I. Die römischen Befunde der Ausgrabungen an der Kellerei in Ladenburg 1981 - 1985 und 1990 (= Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg Band 50. Hg. v. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg) Stuttgart: Kommissionsverlag K. Theiss, 1994

Die nächste Besprechung eines Titels über Ladenburg: Gernot Lorsong, Ladenburg


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