Staatliche Kunsthalle
Karlsruhe
Rolf-Gunter Dienst: Gemälde und Zeichnungen

12.10.2002-12.1.2003

Als Rolf-Gunter Dienst zu Beginn der sechziger Jahre in seiner Malerei radikal auf zwei Ele-mente setzte, war dies eine für seine schöpferische Persönlichkeit und sein nicht nur bildne-risches, sondern auch kunsttheoretisches Denken symptomatische und programmatische Findung. Von diesem Beginn an operierte der Maler vor allem mit der Farbe als sinnlichem Stimulans und intensivem Signalwert und mit dem feinsinnigen, geschriebenen Kürzel, dem minimalistischen, seriellen Kalligramm als intellektueller, vielsagender Spur. In fast jedem der Werke Diensts vereinen sich damit Pole: der anhaltende Grundklang der Farbe; der als meist sonores, sattes Ostinato das Büdganze trägt, und die sensible, vibrierende Binnenzeichnung, die Zeilenschrift, die über sich selbst hinausweist aufs Gestische, aufs Zeichenhafte, aufs Geschriebene, auf den Prozess der allmählichen, stetigen, sich in der Zeit entfaltenden Ar-beit am Bild und damit auf den zumindest doppelten Ursprung des Kunstwerks aus den Sin-nen und dem Verstand.

Verschiedene Wahrnehmungsweisen ermöglichen und erfordern die Werke des am 18. No-vember 1942 in Kiel geborenen Künstlers denn auch: immer sprechen die Bilder- sehr oft in stringenten Serien - unmittelbar durch ihre starken Farbwirkungen die Sinne an. Anderer-seits verlangt der Nuancenreichtum der Farbbehandlung, ihre durchlichtete Tiefe, eine kon-templative Versenkung in die Farbe. Und schließlich wollen die Kürzel, die Zeilen, die kur-venden, die Bildfläche oft fast vergitternden zeichnerischen Einträge sehr langsam gelesen, studiert, mit den Augen behutsam nachvollzogen werden. Im pulsierenden Klang des Bildes entdeckt man die Langsamkeit, das Minutiöse, das Detail, das dem Ganzen seine Struktur erst verleiht. Die Bilder - Makro- und MikroStruktur zu einem unauflösbaren Gesamtklang vereinigend - halten den Betrachter mal auf Distanz, um ihn dann wiederum in ihre Nähe zu beordern, einen stetigen Blickwechsei zu provozieren, der andeutet, dass das Werk nicht eindimensional fassbar ist.

Nach einer Phase, in der sich in Diensts Bildern die Farbe verlor, verflüchtigte, immer ätheri-scher wurde, zeigen die Werke der vergangenen fünf Jahre, die in der Ausstellung der Staat-lichen Kunsthalle Karlsruhe zu sehen sind, den Künstler in einer besonders vitalen, neuen Entwicklungsphase, in der er die Strahlkraft der Farbe fulminant steigert. Von der Mono-chromie lösen sich diese Arbeiten. Dienst entdeckt in ihnen als neue Dimension den Dialog der Farbe in manchmal zwei, drei oder aber annähernd unüberschaubar vielen Feldern oder Bändern. Das dichte Gewebe aus linearen Eintragungen bleibt auf diesen Gründen beste-hen, wobei die Schlingenformen sich mal dichter, mal loser geknüpft addieren.

1981 formuliert Rolf-Gunter Dienst über sich und seine Arbeit: „Ich male, weil ich die Malerei liebe, meine und die anderer Maler. Ich antworte auf die Freude, in die sie mich versetzt und die ich beim Malen empfinde. Meine Malerei entsteht aus der Malerei." Diese Freude ist den neuen Arbeiten in besonders eindrücklicher Weise abzulesen. In diesem Dialog mit anderenMaiern befindet sich Dienst seit jeher - und zwar auf zwei Ebenen, denn er ist ein „pictor doctus", den nicht nur höchste bildnerische Sensitivität und Intelligenz, sondern auch eine diskursive Brillanz auszeichnen. Seit den sechziger Jahren hat er kenntnisreich aus der ge-schärften Doppel-Perspektive des Künstlers und Kritikers den kunsttheoretischen und kunst-kritischen Diskurs in der Bundesrepublik mitbestimmt. Von 1960 bis 1965 war er Mitheraus-geber der literarischen Revue „Rhinozeros" und daran anschließend bis 1991 Redakteur der Kunstzeitschrift „das kunstwerk" in Baden-Baden. Im Jahr 1968 wurde er mit dem Preis der Villa Romana in Florenz, 1979 mit dem der Villa Massimo in Rom ausgezeichnet. Dienst publizierte zahlreiche Bücher zur zeitgenössischen Kunst, Rezensionen und Interviews mit Kollegen. Nach diversen.Auslands-Aufenthalten und Gastdozenturen in Deutschland, Frankreich und Australien wurde er 1992 Professor für Freie Maierei an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg.

In der Ausstellung, die auch eine Hommage an den Künstler aus Anlass seines 60. Ge-burtstags ist, zeugen außerdem 31 Zeichnungen, die auf Reisen entstanden, von Diensts unstillbarem Schaffensdrang, seiner Neugier und Weitläufigkeit. Diese Blätter aus zwei Skiz-zenbüchern sind im Vorlege-Saal des Kupferstichkabinetts zu sehen. Dienst kaufte die Bü-cher 1990 in Tokio und reiste mit ihnen bis 2001. Eintragungen, zum Teil in großen Abstän-den erfolgt, nahm er unter anderem auf Bau, Ibiza und Zypern, in Venedig und Berlin vor. Wo Dienst nicht malen kann, muss er zeichnen. Sein Zeichnen bleibt seiner Maierei aber aufs Engste verwandt: Auch hier wird das Blatt formatfüllend mit bildnerischen Kürzeln., wiederhol-ten Modulen, seriellen Reihungen allerdings organisch anmutender Körper überzogen. Es entsteht ein Gewebe aus Form, ein Gewimmel, ein Gewirr. Das Vorläufige, das Unvollendet ist auch hier Diensts Sache nicht. Dennoch hält er seine Blätter, die Bewegungen darin, die Formen und ihre Anmutung offen und den Betrachter damit dazu an, aus dem Vielen ein Eigenes, vielleicht ein Ganzes, das heißt, sich ein „Bild" zu machen.

Zur Ausstellung erscheinen zwei Kataloge mit Texten von Prof. Dr. Klaus Schrenk und Dr. Gert Reising.

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 10 bis 18 Uhr.

Dr. Kirsten Claudia Voigt

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