Der „närrische Moler“ von Haslach- Teil 2 des Aufsatzes - |
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Der Verlust der geliebten Frau und der Mutter vertieften sein Gemütsleiden. Gerade, als er durch Prof. Baumgartner viel Geld verdiente, eine Existenz sich anbahnte, brach ihm unter dem Spott und der Mißachtung, dem Unverständnis und Gefühllosigkeit seiner Haslacher Mitbürger die Welt zusammen. Carl Sandhaas verfiel einem stillen Wahn, er hatte durchaus lichte Stunden und Tage. Von den Menschen hatte er genug, seine Zuflucht wurde die Natur. | Bilder: | |
Sandhaas baute sich eine Hütte an einer schwer zugänglichen
Stelle im Urwald oberhalb der Stadt und schleppte das Notwendigste hinauf.
Diese Zuflucht hat er auch in einem Aquarell festgehalten. Dort lebte er,
las Homer und spielte auf seiner Flöte. Aber es ging bergab. Im Herbst
1842 setzte die öffentliche Fürsorge für ihn ein. Er erhielt
ein Zimmer beim Schreinermeister Georg Sutter. Das tat nicht lange gut.
Aus einer Anzeige des Bürgermeisteramtes an den es mit Sandhaas gut
meinenden Amtmann Dilger geht hervor, daß dieser herbergslos herumziehe,
da niemand ihn haben wolle, er sei in größter Not. Daraufhin
"wurde er für ein halbes Jahr bei der Witwe Schneider untergebracht.
Im Sommer hauste er in seiner Hütte. Aber auch da blieb ihm sein Pech
treu, ein Sturmwind fuhr in das Feuer, das Sandhaas unterhielt, und die
Hütte brannte ab. Als Brandstifter gesucht, gejagt brachte man ihn,
weil er sich wehrte, gefesselt und als Wahnsinniger in den Ortsarrest. Das
war wohl der tiefste Punkt seines Lebens. Man wies Sandhaas in die Irrenanstalt
Illenau bei Achern ein, wo er zwei Jahre verbrachte. Es gelang einer schonenden
und vernünftigen Behandlung, den Wahnsinn in eine ungefährliche
Schwermut zu wandeln. Zurückgekehrt nach Haslach, brachte man den Maler
etwa ein Jahr lang bei Fidel Haberstroh unter. Da natürlich selbst
bei guter Behandlung keine Aussicht auf Heilung bestand, wurden der Stadt
die Kosten zu hoch. Die letzte Station des Carl Sandhaas begann: man wies
ihn als Ortsarmer ins Spital ein. Zwölfeinhalb Jahre verbrachte er
dort ein armes, dürftiges Leben, ging in schönen Tagen in den
Wald, auch seine Hütte hatte er wieder aufbauen können. Er war
auch nicht untätig, fertigte noch viele Zeichnungen von Feld und Wald,
porträtierte, verdiente sich ein Glas Bier damit, das er abseits aller
anderen Gesellschaft genoß. Carl Sandhaas starb am 12. April 1859
und fand sein Grab auf dem Haslacher Friedhof. Der Kupferstecher Julius
Allgeyer besuchte Sandhaas fünf Jahre vor dessen Tod. Welch eine beeindruckende
Persönlichkeit der Maler trotz Not und Elend noch war, geht aus einem
Brief hervor, den Allgeyer 1888 an Hansjakob schrieb: "Sandhaas war in all
seiner Verkommenheit immer noch eine ungewöhnliche Erscheinung. Aus
seinem schönen, von langen graumelierten Haaren umrahmten Kopf leuchteten
ein Paar geistvolle, dunkle Augen. Alle seine Bewegungen waren voller Elastizität
und natürlicher Grazie. Der Ton seiner Stimme war sonorer, sympathischer
Brustton."
Trotz Krankheit und schweren Depressionen hat der stattliche Mann ein großes "Werk hinterlassen. Über tausend Bilder sind noch von ihm erhalten. Die Kunstsammlungen in Düsseldorf, Darmstadt, Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe, Stuttgart, Freiburg, Offenburg, Wolfach und Donaueschingen besitzen Bilder von Carl Sandhaas. Der größte Anteil seiner Werke befindet sich in seiner Heimatstadt Haslach, wohl über vierhundert. Dies ist hauptsächlich das Verdienst zweier Männer. Einmal hat der Haslacher Bürgermeister Josef Fackler (1855-1934) alles gesammelt, was er von Sandhaas erhalten konnte und die Blätter in einer Mappe verwahrt. Zum ändern war es Heinrich Hansjakob, der neben anderen Bildern - wie schon erwähnt - die Darmstädter Mappe an die Stadt weitergegeben hat. Blätter aus diesen Mappen und viele andere Bilder dazu werden nun seit dem 6. Oktober 1984 in einer Dauerausstellung in Hansjakobs "Freihof" dem Publikum zugänglich gemacht. In chronologischer Reihenfolge dokumentiert sich der Lebenslauf des Carl Sandhaas in seinen Bildern. Die Darmstädter Mappe enthält, so der begleitende Text, bei ihren Bildern und Skizzen "typische Erzeugnisse der Romantik, Naturdarstellungen, allegorische Bilder, Schäferszenen, historische Darstellungen, religiöse Bilder. Die Teufelsgestalten gehören zu den immer wiederkehrenden Figuren." Hinzu kommen die vorzüglichen Porträts des Darmstädter Freundeskreises. Um 1825 geschaffen, bestechen die Aquarelle aus der Heimatlandschaft, z.B. "Das Mühlenbacher Tal" oder die "Triberger Wasserfälle". Die Zeichnungen der Italienreise sind leider verschollen. Um 1826 entstand die wohl zu Lebzeiten des Malers bekannteste Radierung "Der Leichenzug". Kommentar der Ausstellung: "Das Bild ist während seines Aufenthaltes in München entstanden. Dieses Blatt sollte der Anfang sein einer Folge von 10-20 Radierungen mit dem Titel ,Des Menschen Erdenwallen' oder ,Von der Wiege bis zur Bahre'. Es blieb jedoch bei diesem einzigen Blatt. Diese Radierung wurde 1844 im Verlag Ullmann in Frankfurt mit einer von O.L.B. Wolff verfaßten Dichtung in vier Abteilungen mit dem Titel ,Träume und Schäume des Lebens' veröffentlicht." Die Freunde von Sandhaas bemühten sich eifrig um den Verkauf des Blattes, um dem ewig in Geldnot Befindlichen zu helfen. Man nimmt an, daß Sandhaas mit dieser Radierung sein eigenes Leichenbegängnis dargestellt hat. Aus seiner Freiburger Zeit werden Porträts Freiburger Bürger gezeigt. Natürlich hat Sandhaas zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle aus der Zeit, die er ab 1830 in Haslach verbrachte, von seiner Vaterstadt geschaffen. Sie sind heute stadtgeschichtliche Dokumente. Die geliebte Mine wird in sehr vielen Zeichnungen dargestellt, auch die Lithographie von 1837, die Madonna mit dem Antlitz der Mine, ist vorhanden, ebenso sein berühmtes Selbstporträt aus dem Jahre 1840. Die Jahre nach 1830 sind Sandhaasens große Zeit des Porträtierens. Er hat mit diesen hervorragenden Bildnissen eine eigene Haslacher Chronik geschaffen. Alle wesentlichen Persönlichkeiten seiner Zeit, Bürger, Handwerker, Bauern, Bürgermeister hat er gemalt, Höhepunkte der Ausstellung. Auch aus der Zeit in Illenau sind einige Blätter vorhanden. Alle diese Zeichnungen und Aquarelle lassen keinen gemütskranken Maler vermuten. Es sind die vielen Fratzen und dämonischen Gestalten, die er besonders in seinen letzten Lebensjahren gezeichnet hat, die auf eine seelische Erkrankung hinweisen. Erschütternd ist sein wohl letztes Selbstporträt aus dem Jahre 1850, eine Bleistiftzeichnung, die ein zerstörtes Antlitz zeigt, aus dem die Augen nachtdunkel blicken. Finet - es wird enden - hat Carl Sandhaas auf diese Zeichnung geschrieben. Die Ausstellung vermittelt ein umfassendes Bild des Malers Carl Sandhaas. Was sagt sie über ihn aus? Zunächst einmal: Er war ein hervorragender Zeichner! Der Umgang mit Stift und Papier war ihm gewissermaßen angeboren, beide waren sein Hauptwerkzeug schlechthin, sein ganzes Leben lang. Seine Porträts, besonders jene der Freiburger und Haslacher Zeit, sind in einer für Sandhaas typischen Mischung von Zeichen- und Aquarelltechnik gestaltet. Er hat es in dieser Art zu malen zu einer hohen Vollendung gebracht. Unter diesen Bildnissen sind Meisterwerke, alle sind Charakterbilder. Mancher Künstler bringt es bei der Wiedergabe zu einer so treffenden Ähnlichkeit, als sei es eine Fotografie. Die Porträts von Sandhaas sind mehr. Bei ihm kann man von keiner mechanischen Wiedergabe sprechen, wenn auch in der damaligen Zeit solche Porträts Fotografien ersetzten. Immer ist die Persönlichkeit erfaßt, die Grundsubstanz der Person spricht den Betrachter an. Wunderbar ist der Kopf mit den Augen, die ja der Seele Fenster sind, durchgearbeitet. Alles andere wird zum nicht mehr wichtigen Detail. Wenn von Carl Sandhaasens Werk etwas immer dauern wird, so sind es diese Porträts. Wenige Ölbilder sind von ihm da. Aber woher sollte der arme Mensch, der in seinen letzten Jahren um Bleistifte und Papier betteln mußte, das Geld für Leinwand und Ölfarbe hernehmen? Vielleicht aber entsprach das Malen eines Ölbildes nicht seinem Temperament und überforderte seine Geduld. Was hätte nicht alles von Carl Sandhaas noch erwartet werden können, hätte er nicht auf dem schmalen Grat zwischen Genialität und Geisteskrankheit wandeln müssen. So aber versank eine große Begabung in dunkler Schwermut.
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