Natürlich dienen die Straßen einer Stadt und ihre Namen
vor allem der Orientierung. Sie stellen in der Tat aber
auch eine "autorisierte Geschichtskarte" dar, sind wesentliche
Elemente des Selbstverständnisses und der Identität einer
Stadt. Ganz spannend wird eine entsprechende Recherche,
welche Namen zu verschiedenen Zeiten nach welchen Kriterien
ausgewählt wurden.
Für Offenburg hat Gernot Kreutz vor Kurzem das Ergebnis
einer immensen Quellenarbeit vorgelegt, hat die Namensgebung
für nahezu 700 Straßen dokumentiert, auch 370 Namen gefunden,
die heute nicht mehr gelten. Allein 117 Straßennamen mussten
wegen der Eingemeindung von elf Umlandgemeinden geändert
werden; heute gibt es nur noch eine Schulstraße (früher
8mal), nur noch eine Schwarzwaldstraße (früher 6mal). Im
19. Jahrhundert bezogen sich die Straßennamen überwiegend
auf Handwerk und Gewerbe, auf Gebäude und Nachbargemeinden,
seit 1876 auch nach Personen, vor allem aus dem Adel. Nach
1900 kamen Schiller und Goethe zu Ehren, auch Künstler aus
Baden: Scheffel, Hebel, Hansjakob, Gott, Moscherosch, Hans
Thoma und Wilhelm Hasemann. Und auch Politiker wie Erzberger,
Rathenau, Ebert, ferner Pioniere der Industrie-Geschichte
wie Friedrich August Haselwander. Die NS-Zeit brachte etliche
Umbenennungen, nach 1945 folgten die entsprechen den Korrekturen.
In den vergangenen Jahrzehnten führte manche Namensgebung
zu politischen Dis kussionen, in jüngster Zeit wurden vor
allem Frauen namen favorisiert. "Insgesamt hat die große
Zahl der Umbenennungen meist gut bedachte, sachgerechte
und ansprechende Namen erbracht". Für Offenburg sprudelt
hier eine lebendige und zuverlässige stadt geschichtliche
Quelle.
Adolf Schmid