Rezensionen

 

Tobias Markowitsch und Katrin Rautnig: Goldfisch und Zebra. Das Konzentrationsaußenlager Neckarelz. KZ-Gedenkstätte Neckarelz e. V. 2005, 241 S., ISBN 3-88260-072-1, Eur 12,–

1944 versuchte man, im Gipsstollen Obrigheim eine komplette Fabrik der Daimler- Benz-Flugzeugmotoren aufzubauen, nachdem das Werk bei Berlin zerstört worden war. „Gerade hier,“ hieß es in einem Fernschreiben Görings an Himmler, „lassen sich KZSträflinge arbeitsmäßig und lagermäßig besonders gut zusammenfassen.“

Die Autoren schildern die Einrichtung und den Betrieb des Außenlagers Neckarelz als Teil des Hauptlagers Natzweiler Struthof im Elsass, wo zahlreiche Franzosen gefangen waren. Dabei konnten sie sich nicht nur auf deutsche Unterlagen stützen, sondern zahlreiche französische Publikationen, Archivmaterialien und Zeitzeugenberichte auswerten, insgesamt eine mühevolle und umfassende Quellenarbeit, die allein schon Anerkennung verdient.

Die straff gegliederte Darstellung läßt in ihrer nüchternen Art die Fakten wirken und überzeugt so den Leser, der den Leidensweg der Häftlinge in diesen letzten 10 Monaten des II. Weltkriegs verfolgt. Dabei werden bei den Beschreibungen der einzelnen Lagerführer und Ärzte Differenzierungen vorgenommen. Einige, die in dumpfen Hass ihrem Sadismus frönten, andere, die all die Effizienz der Arbeitsaufträge glaubten. Unter kaum beschreibbaren Verhältnissen bei Kleidung, Ernährung, medizinischer Betreuung wurden Stollen angelegt, in denen die Daimler Ausrüstung untergebracht wurde, um neue Jagdflugzeuge zu bauen („Goldfisch“), erstellt von Häftlingen in Gefängniskleidung („Zebras“). Gegen Kriegsende sahen die Daimler-Vertreter nur noch die Möglichkeit, Gerät für den Wiederaufbau nach Kriegsende zu sichern, was auch geschah. Neben der SS waren auch Luftwaffensoldaten in den Wachmannschaften zu finden. Zu den kleineren Nebenlagern liefen die Gefangenen durch die Orte, und jeder konnte ihren Zustand erkennen.

Auch diese Lektüre hinterläßt jene Beklemmung, wie in einem bereits zerstörten Land man mit notdürftigen Mitteln versuchte, einen „Endsieg“ herbeizuzwingen. Die unmenschliche „Ordnung“ im beginnenden Chaos, das Abspulen von Zielvorgaben unter unerträglichen Lebensbedingungen, das Einkalkulieren des Todes vieler Häftlinge beleuchtet jene Ideologie, der sich die Machthaber und viele der Bevölkerung unterworfen haben. Es sind nicht nur die bekannten Vernichtungslager, die einen erschrecken lassen; in Außenstellen findet man kein geringeres Elend, das hier nicht in Einzelheiten aufzuzählen ist. Autoren und Autor haben sich mit diese Veröffentlichung, verbunden mit dem Bemühen um die Gedächtnisstätte verdient gemacht, weil sie die Sachverhalte in wissenschaftlicher Strenge und bei emotionaler Zurückhaltung so anschaulich beschrieben haben, dass mehr als nur ein Kapitel Landesgeschichte 1944/45 geschildert wird, sondern das Grauen vor menschlichen Abgründen einen befällt, die auch die kleineren Lager charakterisierten.

Heinrich Hauß

4/2006
   

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