Hans-Josef
Wollasch, Gertrud Luckner. Botschafterin der Menschlichkeit.
Verlag Herder, Freiburg 2005, 144 S., 28 Abb., ISBN 3-451-26085-9,
14,90 €.
Die
meisten Deutschen haben die nationalsozialistischen Verbrechen
an unseren jüdischen Mitbürgern widerstandslos hingenommen.
Ursache war Angst, wurden doch allein schon regimekritische
Worte hart geahndet. Gleichwohl gab es Menschen, die furchtlos
versuchten, den Bedrängten beizustehen. Zu ihnen gehörte
die Caritashelferin Gertrud Luckner. Schon bald nach der
braunen Machtergreifung unterstützte sie bedrängte Juden
und beriet sie in Auswanderungsfragen. Nach Kriegsausbruch
bemühte sie sich, die verfolgten Menschen vor Deportation
zu bewahren, zu verbergen oder heimlich über die Grenze
zu lotsen. Als 1941 die Juden zum Tragen eines aufgenähten
gelben Davidsterns gezwungen wurden, begleitete sie ihre
Schützlinge demonstrativ auf Gängen durch das Stadtgebiet,
… damit sie nicht das Gefühl hatten, allein zu sein. Im
März 1943 wurde Frau Luckner von der Gestapo verhaftet,
über Monate verhört und sodann ins Konzentrationslager Ravensbrück
verschleppt. Nach unsäglichen Leiden erlebte sie im Mai
1945 ihre Befreiung.
Gertrud
Luckner war im Jahre 1900 in Liverpool geboren worden, mit
sechs Jahren kam sie nach Deutschland, legte in Königsberg
das Abitur ab, studierte Volkswirtschaft in Frankfurt und
in Freiburg. 1933 war sie zum katholischen Glauben übergetreten.
1936 ging sie als Angestellte zum Caritasverband in Freiburg,
damit konnte sie aus einer geschützteren Position heraus
helfen. Nach Kriegsende stellte sich Dr. Luckner ganz in
den Dienst der Fürsorge für Verfolgte jeder Art. Um Aussöhnung
bemüht gab sie mit einigen Gleichgesinnten fortlaufend den
Freiburger Rundbrief heraus, der Beiträge zur christlichjüdischen
Begegnung brachte. Wiederholt ist sie nach Israel eingeladen
worden. Hoch geehrt verstarb Dr. Gertrud Luckner im August
1995 in Freiburg.
Die
schon länger erwartete umfassende Biographie liegt jetzt
vor. Sie enthält zugleich eine Sammlung von Lebenszeichen
aus den Jahren im KZ und ein erstmals im vollen Wortlaut
veröffentlichtes Notizen- und Tagebuch für die Zeit von
April bis Juli 1945. Ausgestattet ist die Schrift mit reichhaltigem
Bildmaterial, das ebenso wie die gezeigten Dokumente dem
Autor, ehemals Leiter des Caritasarchivs, auf kurzem Wege
zugänglich war. Es ist die ergreifende Geschichte einer
mutigen Frau, die aus christlicher Nächstenliebe immer wieder
ihr Leben für andere eingesetzt hat.
Reiner
Haehling von Lanzenauer
|