Das
Rätsel der Kelten vom Glauberg. Glaube, Mythos, Wirklichkeit.
Ausstellungskatalog. Herausgeber: Hessische Kultur GmbH,
Wiesbaden. 344 S., Stuttgart 2002. ISBN 3-8062-1592-8 (Buchhandelsausgabe),
€ 39,90, ISBN 3-8062-1832-3 (Museumsausgabe), € 19,90
Es
ist wohl wahr, Südwestdeutschland hat den Römern vieles
zu verdanken, in Baden mag da mancher nicht zuletzt an den
Weinanbau und die Thermalbäder denken. Die aktuelle Landesausstellung
"Imperium Romanum", im Karlsruher Schloss und in Stuttgart
zweigeteilt untergebracht, zeigt eine Vielzahl an Exponaten;
römische Hinterlassenschaften, die von regem Kulturaustausch
und zivilisatorischer Entwicklung zeugen. Auf die befruchtende
Wirkung solcher Völkerbegegnungen und -bewegungen hinzuweisen,
ist sicher eine der vornehmsten Aufgaben historischer Ausstellungen.
Es sollte darüber aber nicht vergessen werden, dass überall
dort, wo Neues entsteht, auch ein bereits währendes Altes
beiseite geschoben wird. Man muss dabei ja nicht sofort
in Begriffe wie "Zerstörung" und "Auslöschung" verfallen,
um kenntlich zu machen, dass die Römer, als sie ihren Machtbereich
in Europa weiter und weiter dehnten, nicht in menschenleeren
und kulturell verödeten Raum vordrangen. Freilich, glaubt
man den römischen Geschichtsschreibern, hausten an den Rändern
des "Imperium Romanum" vornehmlich die "Barbaren", mehr
oder weniger "kulturlose Gesellen" allesamt; so wie eben
seit jeher Eroberer ihre Feldzüge zu rechtfertigen pflegen:
als Verbreitung "höherer Kultur" oder als präventive Abwehr
einsickernder "Verfallserscheinungen".
Bei
einer Bilanz dessen, was "wir" den Römern an Errungenschaften
historisch zu verdanken haben, sollte daher nicht vergessen
werden, was dies "uns" auf der anderen Seite gekostet hat.
Um sich darüber ein Bild zu verschaffen, bietet sich nach
einem Gang durch Karlsruhe und/oder Stuttgart, der ergänzende
Besuch einer Ausstellung an, die seit dem 6. Okt. wieder
in Darmstadt zu sehen ist. Bereits 2002 vermittelte "der
Keltenfürst vom Glauberg" in der Frankfurter Schirn dem
interessierten Besucher einen gelungenen Einblick in Lebenswelt
und Kultur jener Menschen, die vor den Eroberungszügen der
Römer weite Teile Europas bevölkert hatten und deren Rudimente
sich noch heute in Sprachinseln (Irland, Schottland, Wales
und Bretagne) bewahrt haben. Der informative Katalog zur
Ausstellung, auf den ausdrücklich hingewiesen sei, räumt
bereits in seiner von Karl Weber verfassten Einleitung mit
dem Vorurteil auf, die Schriftlosigkeit der keltischen Kultur
belege eine gewisse Inferiorität gegenüber der römischen.
Angesichts einer heute um sich greifenden Illiterarität
in Zeiten digitaler Medien, in denen uns das schleichende
Ende der eigenen Buchkultur zu blühen scheint, ist es ja
nur folgerichtig, die Schrift nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal
höherer Kultur zu werten. Vor diesem Hintergrund erschließt
sich auch Kunst, Alltag und Mythologie der Kelten als eine
reiche, hoch entwickelte Zivilisation. (Abzulesen ist dies
an einem anwachsenden Fundus materieller Zeugnisse, die
wir vor allem den verbesserten Methoden der Archäologie
zu verdanken haben.) Und demjenigen, der eben noch in Baden
die römische Kultur bewundern durfte, und dies mit vollem
Recht, das sei überhaupt nicht geleugnet, enthüllt sich
hier im benachbarten Hessen, welche Fülle an keltischer
"Lebensart" dafür eben auch sich hatte anpassen bzw. ganz
hatte weichen müssen. Und welch ein Glück wiederum, sich
als Mitteleuropäer mit seinen Wurzeln in diesen beiden großen
Geschichts- und Kulturträgern verankert zu wissen.
Karl
Heinz Kees
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