Gottfried
Zurbrügg, "Wellenreiter". Drey-Verlag, Gutach. 400 Seiten,
25 Euro. ISBN 3-933765-13-7
Das
neue Buch des Autors Gottfried Zurbrügg, "Wellenreiter",
im Gutacher Drey-Verlag erschienen, hält, was der Einband
und die Vorsatzfotografien versprechen: Spannung bis zum
letzten Satz und brillant in Handlung gesetzte Einsichten
in ein Stück Vergangenheit des Schwarzwalds und seiner Bewohner
an den Hängen hüben und drüben der Flussverläufe. Man spürt
und nimmt es dem Autor gerne ab, dass er sich in allen Schwarzwälder
Flößereimuseen kundig und sich die Geschichte der Flößerei
zur eigenen Sache gemacht hat.
Da ist die glaubwürdige Geschichte des Hans Schmieder, ein
Held mit menschlichen Schwächen, sympathisch und zugkräftig.
Eine seiner Schwächen wäre da seine Zuneigung zur letzten
"Hexe" Hannah, die ihn selbst zwar kaum in Kollision mit
seiner Liebe zu Maria, seiner Braut bringt, aber der Leser
weiß besser als er, wie seine "Männerphantasien" ihn bestimmen.
Vor allem ist es die Figur des Flößers Michel, die Hans
Schmieder dazu verführt, auf sein Erstlingsrecht als Großknecht
zu verzichten zugunsten einer wagemutigen Berufswahl als
Flößer in einer Zeit, als die Französische Revolution die
politische Landschaft in Europa bestimmt und schließlich
eine Auswanderungswelle nach Amerika einsetzt.
Von ihr werden auch Hans Schmieder und die Leute der Glaserkolonie
erfasst, diese armen Handwerker, die von den ansässigen
Bauern mit so viel Misstrauen betrachtet werden, unter denen
aber der Held seine Braut findet und sie ihn.
Es ist ein reiches Kolorit, das der Autor zeigt, und doch
ist es immer wieder die Engführung auf die Flussabfahrten
mit den Flößen, die atemberaubende Wendungen herbeiführen
und für manchen der Flößer den Untergang bedeuten.
So traditionell das Buch sprachlich erzählt, so gekonnt
ist es doch und durchaus auch modern, wie dieser Heimatroman
im besten Sinne den Erzählfluss meistert.
Dass das Werk von Nordrach seinen Ausgang nimmt und den
für uns überschaubaren Raum bis Willstätt beschreibt, ist
keine Einschränkung sondern als Konkretisierung erfahrbar,
die die allgemeinen Probleme und Ideen der Zeit, wie die
Armut, Aberglaube und Glaubenswandlungen, Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit erst lebendig werden lassen.
Der Autor gibt sich als Lehrer und Laienprediger aus und
weiß auch um die Schattenseiten der Kirche mit den Verquickungen
von Macht und Abgaben und die letzten Tage der Inquisition.
Die beginnende Entfremdung von der Natur wird sensibel thematisiert,
wenn die kahl geschlagenen Hänge beschrieben werden, weil
die Niederländer gute Preise für Eichenstämme bezahlen.
Der große Strom, der Rhein, wird zum breiten Band, das dem
Handel die Fernziele steckt.
Der reich verzierte "Sperrriegel" von Hans Schmieder, mit
dem er auf den Flößen geschickt umzugehen weiß, begleitet
ihn durch die Geschichte und mit ihm der Name "Wellenreiter",
der ihm von allen Seiten zu Ohren kommt.
Wie die Flößer die Welle erzeugen, mit Dämmen und Wehren,
wie sie die begradigten Flussverläufe zu Wasserwegen umgestalten,
die vorher doch Naturge walten waren, aber auch gut für
Fischnahrung, Muscheln und Perlen, das lässt begreifen,
welche Hoff nung in den Menschen geweckt wurde.
Dieser Segen der neuen Zeit fordert aber auch seine Opfer,
es soll nicht verraten werden, wie am Ende des Romans, buchstäblich
auf den letzten Seiten, das Blatt sich noch einmal wendet,
wie die letzte Welle den Wellenreiter Verzicht lehrt.
Claudia
Schere
|