Rezensionen

 

Friedbert Andernach und Martin Ruch: Arma Christi- und Longinuskreuze im Erzbistum Freiburg. Blauer Reiter unterm Kreuz. Editions du Signe, Strasbourg, 2001, ISBN 2-7468-0423-9, 50 Seiten.

Zeugen religiöser Volkskunst prägen auch die Landschaft des deutschen Südwestens und der Erz-diözöse Freiburg: Marienbildnisse, Heiligenstatuen und Kapellen erinnern an den Glauben unserer Vorfahren. Unter den zahlreichen Kreuzen an Wegen und Gehöften nehmen die Arma Christi- und Longinuskreuze eine Sonderstellung ein, zeigen sie doch die Passionsgeschichte des Jesus von Nazareth in eindringlicher Weise. Meist sind sie aus der Hand bäuerlicher Schnitzer entstanden, belegen den hohen Stand handwerklichen Könnens, geben aber auch einen Hinweis auf das Denken und den Glauben früherer Geschlechter, von denen ihr Alltag bestimmt war.
Friedbert Andernach, Hinterglasmaler und vielseitig handwerklich begabter Künstler aus Freiburg (Jg. 1926 ), hat sich dieses Themas in einem reich bebilderten Heft angenommen Martin Ruch verfaßte die erklärenden Texte, die meisten der vorzüglichen Fotos stammen vom elsässischen Fotographen Y. Meyer, viele Anregungen bzgl. des Textes, der Bildkommentare, der Textgestaltung und die Hinweise auf viele Fundorte stammen aus der Hand von M. Stella Erhart. Erzbischof Oskar Saier und Prof. Hermann Brommer lieferten das Vorwort. Das Buch wurde im September 2001 in einer kleinen Feierstunde im Gemeindesaal der Kirche St. Canisius in Freiburg-Landwasser im Rahmen einer kleinen Ausstellung von Kreuzen und Hinterglasmalereien präsentiert. Dr. Matthias Kremer vom Erzbischöflichen Ordinariat hielt die ehrende Laudatio vor den geladenen fachkundigen Gästen.
Obwohl die grundlegenden Arbeiten über Arma Christi-Kreuze (1955, Rudolf Berliner) und die Longi-nuslegende, heilige Lanze und Gralsgeschichte (1938, Konrad Burdach) bereits bekannt sind, füllt dieses Büchlein eine Lücke durch seine reiche Bestandsaufnahme an (größtenteils) farbigem und exzellent getroffenem Bildmaterial: man könnte es getrost ein "badisches Heimatbuch" nennen, zusammengestellt für neue und alte Bewohner dieser Landschaft. Es ist eine Ermunterung zur Traditionspflege, mindestens aber eine Aufforderung, wieder mit weiter geöffneten Augen durch die Landschaft zu gehen.
Nach einer eingehenden Schilderung der Entwicklung der Kreuzverehrung greift das Heft speziell die Arma- und Longinuskreuze im Schwarzwald auf. Verblüffend die Phantasie der bäuerlichen Schnitzer, die bis zu 30 zum Martyrium gebrauchte "Werkzeuge" der Passionsgeschichte (Arma) den Kreuzbalken hinzufügten! Dies wird durch die bunten Photogra-phien erst richtig bewußt. Andernach/Ruch haben auch "Stubenkreuze" und "Eingerichte", Longinusse-gen und Longinusspiele berücksichtigt. Es ist festzuhalten - und dieses Heft verweist darauf - daß es die Darstellung des Longinus als Reiter unter dem Kreuz nur im Schwarzwald gibt. Merkwürdig dabei ist allerdings, daß der Longinus nicht als römischer Offizier, sondern als Dragoner in meist blauer badischer Soldatenuniform dargestellt wird, so wie der bäuerliche Schnitzer sich selbst sah, wenn er sich an seinen Militärdienst erinnerte. Friedbert- Andernach glaubt feststellen zu können, daß diese besondere Form der Longinuskreuze nur im ehemals vorderösterreichischen Südschwarzwald vorkommt und weist nach, daß ein in der ehemaligen Kameralherrschaft Triberg arbeitender Obervogt "Huber" gezielt die Aufstellung solcher Kreuze gefördert habe. Die Aufbewahrung der Reichsinsignien und der Hl. Lanze in Wien habe das Interesse an diesen religiösen Gegenständen in Vorderösterreich gefördert, gerade die Missionsorden der Kapuziner, Jesuiten und Zisterzienser hätten die Arma Christi "als stumme Prediger" eingesetzt.
Diese Dokumentation der Volksfrömmigkeit kann als eine wertvolle Auflistung für die Heimat-und Denkmalforschung bezeichnet werden und dient dem an religiöser Volkskunst Interessierten als Hinweis zum genaueren Schauen. Ein kleiner Lexikonbereich erschließt die biblischen Bezüge. Daß die Standorte der Kreuze nur vage umschrieben sind, mag man als Nachteil bezeichnen, es dient aber, worauf ausdrücklich hingewiesen wird, dem Schutz der Kunstobjekte vor dem immer weiter um sich greifenden Raub durch Souvenirjäger.

Hermann Althaus

2/2003
   

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