Andreas
Gabelmann: August Babberger (1885-1936). Leben und Werk.
Karlsruher Schriften zur Kunstgeschichte, Band 3. Herausgegeben
vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Karlsruhe
durch Norbert Schneider und Annemarie Jaeggi. LIT Verlag
Münster - Hamburg - London 2002. 504 Seiten, 90 Abbildungen,
geb. 43,90 Euro. ISBN 3-8258-6093-0.
Auf
den ersten Blick mögen Dissertationen für den an Geschichte
interessierten Laien Bücher mit sieben Siegeln sein.
Man ist versucht, ein solches Buch schnell wieder aus der
Hand zu legen und sich leichterer Kost zuzuwenden.
Die Geschichte der Erforschung der Malerei, insbesondere
nach dem Jahre 1900 in Deutschland, gilt heute als gut erforschtes
Thema innerhalb des breiten Spektrums kunstwissenschaftlicher
Problem- und Fragestellungen.
Die vorliegende Untersuchung zu Leben und Werk August Babbergers
(1885 bis 1936) wurde im Februar 1999 als Dissertation an
der Universität Karlsruhe (TH) angenommen.
Anläßlich von verschiedenen Ausstellungen erschienene Katalogbände
machen den Großteil dessen aus, was bisher über August Babberger
geschrieben steht.
Obwohl der in Hausen im Wiesental geborene Maier August
Babberger zu den bedeutenden Malern des Expressionismus
gehört, ist sein Werk bisher noch nicht in größerem Umfang
Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung geworden.
In der Tat ist es erstaunlich, dass dieses Thema in dieser
Form bisher noch nicht angegangen wurde, lebt doch ein malerisches
Werk allein aus der ständigen Auseinandersetzung mit ihm,
wie sie in Editionen und Interpretationen faßbar wird.
Grundlage und Ausgangspunkt der vorliegenden Monographie
war die Bearbeitung des Nachlasses in der Staatlichen Kunsthalle
Karlsruhe. Im Zuge der Forschung wurde der Bestand in seiner
Vollständigkeit gesichtet und ausgewertet. Ziel und Aufgabe
der Untersuchung ist die erstmalige umfassende und systematische
Aufarbeitung von Leben und Werk August Babbergers, verbunden
mit der Anlage eines Werkkataloges der Gemälde, Wandbilder,
Putztafeln, Glasfenster und Entwürfe.
Mit der Berufung als Malerprofessor an die Karlsruher Akademie
im Jahre 1920 steigt die Beachtung für Person und Werk August
Babbergers. Die regionale Kunstkritik sieht in ihm "eine
der besten Hoffnungen für die Erneuerung unseres Wandbildes"
und zugleich eine Lehrerpersönlichkeit, die "mit einer erstaunlichen
Reife der Erkenntnis an die Stelle von Schulprinzip und
Schulgesetz die entschiedene Konsequenz der Weiterbildung
auf ein Ziel" betreibt.
Der Karlsruher Kunsthistoriograph Josef August Beringer
weist in seiner 1922 veröffentlichten Abhandlung zur "Badischen
Malerei 1770-1920" Babberger innerhalb der zeitgenössischen
badischen Kunst einen singulären Platz "auf dem äußersten
Flügel der Expressionisten" zu und sieht ihn gar "an der
Grenze, wo die Kunst des Bildens aufhört und die Experimente
mit einem aufs äußerste getriebenen Expressionismus anfangen".
Vor dem Hintergrund des sich verstärkenden völkisch-nationalsozialistischen
Klimas in Karlsruhe zu Beginn der 30er Jahre sieht sich
auch das Werk Babbergers und das seiner Lehrerkollegen zunehmenden,
vorrangig politisch motivierten Diffamierungen ausgesetzt.
Insbesondere die Kollektivausstellung von Babberger, Hubbuch,
Schnarrenberger und Speck, die im November 1932 im Karlsruher
Kunstverein gezeigt wird, löste eine wahre Flut von Haßtiraden
gegen die Werke der Akademieprofessoren aus, wobei Babberger
noch am wenigsten vehement attackiert wird. Ihren traurigen
Höhepunkt findet diese Entwicklung in der Verfemung Babbergers
als "entarteter Künstler" und der damit verbundenen Entlassung
aus dem Lehramt im Jahre 1933.
Die Wertschätzung, die seinem Werk zu diesem Zeitpunkt im
Nachbarland Schweiz entgegengebracht wird, dokumentiert
die Einladung zur großen Eröffnungsausstellung des Luzerner
Kunstmuseums im Dezember 1933, wo Babberger im Kontext moderner
innerschweizer Kunst Putzarbeiten und Graphik zeigen kann.
Die Tatsache, dass sich der Maler in der Folgezeit vornehmlich
in der Schweiz aufhält, mag erklären, weshalb Person und
Schaffen ab diesem Zeitpunkt in seinem ehemaligen südwestdeutschen
Wirkungskreis mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Andreas
Gabelmann hat umfangreich und gründlich recherchiert und
bisherige Aussagen zu Leben und Werk August Babbergers richtiggestellt
(S. 34).
Das vorliegende Werk bietet die erste umfassende Darstellung
von Person und Schaffen August Babbergers. Die ausführliche
Biographie mit zahlreichen Selbstzeugnissen verfolgt sämtliche
Lebensstationen von den Anfängen der Studienjahre in Basel,
Karlsruhe und Florenz 1901 bis 1911 über die Stilausprägung
in den Frankfurter Jahren 1912 bis 1920 bis zur Hauptschaffenszeit
in Karlsruhe von 1920 bis 1933.
Das Buch beleuchtet darüber hinaus ein wichtiges Kapitel
der badischen Akademie- und Kunstgeschichte des frühen 20.
Jahrhunderts.
Die eingehende Werkanalyse untersucht die stilistische Entwicklung
und ordnet Babbergers gestalterische Position in den kunsthistorischen
Kontext des deutsch-schweizer Kunstgeschehens ein. Die angeführten
Werke im Literatur- und Quellenverzeichnis wurden zum größten
Teil nicht einfach nur bibliographisch erfaßt, sondern auch
gelesen.
Das Werk beweist eine ungeheure Vertrautheit des Autors
auch mit der modernen Literatur.
Ein Vorzug dieser Dissertation ist ebenso, dass sie den
Männern und Malerkollegen um August Babberger besondere
Aufmerksamkeit zukommen läßt, so zum Beispiel Hans Brasch,
Heinrich Danioth, Augusto Giacometti, Rudolf Gudden, Hans
Thoma und Joseph Zbinden.
Die äußerst verdienstvolle Arbeit von Andreas Gabelmann
stellt eine große Leistung, das Thema selbst eine große
Herausforderung dar. Die Anordnung der Anmerkungen unter
dem Text erleichtert die Lektüre. Ein ausführliches Literaturregister
und eine Anzahl weiterer, teilweise entlegener Quellen in
den Anmerkungen sind selbst dem Fachmann eine Fundgrube.
"Abschließend bleibt festzustellen, dass Persönlichkeit
und Werk trotz der Fülle von Ausstellungen und Publikationen
in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist",
schreibt der Autor.
Mit seinem vorliegenden Werk steuert Andreas Gabelmann hier
entgegen.
Was sind die Vorzüge eines Buches, im vorliegenden Falle
einer Dissertation, das Aussichten hat, für viele Jahrzehnte
sich das Prädikat "Standardwerk" zu verdienen?
Es muß nahezu alles umfassen, klar gegliedert und systematisch
strukturiert sein, dabei Wichtiges vertiefen und Nebensächliches
bestenfalls streifen, illustriert und auch für den Laien
leicht verständlich sein. Alle diese Punkte hat der Autor
auf insgesamt 504 Seiten akribisch festgehalten. Andreas
Gabelmann hat eine filigrane und saubere historische Arbeit
vorgelegt, die das Thema, auch in den einzelnen Kapiteln,
nicht aus dem Auge verliert. Mit seinem Buch, das Maßstäbe
setzt, hat Andreas Gabelmann eine wichtige Lücke, nicht
nur im Bereich der badischen Malerei geschlossen.$Wer die
Lebensstationen August Babbergers und sein vielseitiges
Werk näher kennenlernen will, wird an dem vorliegenden Werk
von Andreas Gabelmann nur sehr schwer vorbeikommen.
Elmar
Vogt
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