Seit
neun Jahren präsentiert die Stadt Leoben ethnologische Großausstellungen
auf höchstem Niveau. Die Ausstellung 2006 ist eine Weltpremiere,
die vom Kunsthistorischen Museum Wien und der Kunsthalle Leoben
exklusiv konzipiert wurde. Mehr als 250 kostbare Kunst- und
Kulturschätze aus renommierten österreichischen und international
bekannten Museen werden den Besucher in den Orient entführen
- fernab jeder politischer Problemstellung und fernab der
fälschlichen Vorstellung einer Welt aus "Tausendundeiner Nacht".
Die Ausstellung konzentriert sich auf die historische Entstehung
und die inhaltlichen Zielsetzungen dieser Glaubenswelt und
ihrer unglaublichen Vielfalt an Kunst und Kultur.
Im arabischen Raum konnten sich unter dem Dach der gemeinsamen
Religion schon sehr früh unterschiedlichste Kultur- und
Kunstformen entwickeln, deren Reichtum und Fülle sich in
der islamischen Architektur ebenso niederschlagen wie in
der Kalligrafie, der Buchkunst oder in den prächtigen Tapisserien
und aufwändigen Metall-, Keramik-, Schnitz- und Schmuckarbeiten
- Bereiche der Kunst, die durch ausdrucksstarke Exponate
in der Ausstellung vertreten sind.
Nicht nur die Kunst, sondern auch die schöpferischen Leistungen
der islamischen Welt im Bereich der Wissenschaften haben
das Abendland nachhaltig beeinflusst. So wurde beispielsweise
die griechische Antike nicht nur aufgenommen und kopiert,
sondern mit den Bedürfnissen der eigenen Kultur und Religion
in Einklang gebracht, ergänzt und erweitert. Daraus entwickelten
sich hervorragende eigenständige Leistungen auf den Gebieten
der Astronomie, Mathematik, Physik und Medizin. Die zunehmend
gut ausgebauten Handelswege sorgten für einen umfangreichen
Wissens- und Schriftentransfer unter den einzelnen islamischen
Ländern und über Sizilien und Spanien auch nach Europa.
Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangten auch Luxuswaren
und Pflanzen wie Zuckerrohr oder Kaffee nach Europa - auch
diese Themenbereiche werden durch kostbare Ausstellungsobjekte
eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Die Ausstellung folgt aber auch den historischen Entwicklungslinien
des Islam, widmet sich seiner Entstehung und seiner territorialen
Ausbreitung, ausgehend von der Arabischen Halbinsel über
Bagdad, Damaskus und Kairo nach Nordafrika und weiter bis
nach Spanien bzw. nach Sizilien und in die Türkei und spannt
dabei einen Bogen von 1300 Jahren.
Mit der Behandlung einer großen Vielfalt von Themen, versucht
die Ausstellung einen Überblick über die Komplexität dieser
Weltkultur zu geben, aufzuklären und die Welt des Islam
von dem Zerrbild zu befreien, das durch die Medien gezeichnet
wird und will dieses wertvolle kulturelle Erbe einem breitem
Publikum in einer groß angelegten Schau verdeutlichen.
Es soll ein ausgewogenes und differenziertes Bild von einer
Kultur entstehen, die über viele Jahrhunderte das Bindeglied
zwischen Europa und den Kulturen des Nahen Ostens war. Denn
durch die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts bestehende
Nachbarschaft zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich
ging auch die gegenseitige Beeinflussung sehr tief. Das
Osmanische Reich wurde nicht nur als gefährlicher militärischer
Gegner gesehen, sondern übte mit seiner reichen Kultur auch
große Faszination auf Europa aus. Das Sammeln islamischer
Kunstwerke begann in Wien schon mit Rudolf IV. dem Stifter
(1339-1365) und hatte einen letzten Höhepunkt in der Mode
des Orientalismus Ende des 19. Jahrhunderts.
Mit der diesjährigen Ausstellung wird nach "China", "Japan",
"Ägypten", "Vietnam" und "Mexiko" - um nur einige zu nennen
- die Präsentation großer Weltkulturen fortgesetzt und es
ist gelungen, einzigartige Exponate in einer spannenden
Inszenierung und Ausstellungsgestaltung in der Kunsthalle
Leoben ihren Besuchern zu präsentieren.
Text:
Kunsthalle Leoben
Bild: Innenhof der Moschee von Damaskus © Dr. Matthias Pfaffenbichler