Heimatmuseum Heidelberg-Kirchheim

Das Kirchheimer Heimatmuseum

Schon vor 40 Jahren trug man sich in Kirchheim mit dem Gedanken, ein Heimatmuseum einzurichten. Nach den damaligen Plänen sollte es in dem unter Denkmalschutz stehenden Rathaus untergebracht werden. Der Plan zerschlug sich jedoch. Als im Jahre 1976 die Außenstelle der Robert-Koch-Sonderschule im alten Schulhaus in der Schäfergasse 5 aufgelöst wurde, traf der Stadtteilverein die Entscheidung, das Heimatmuseum darin einzurichten.

Das Schulhaus steht auf dem Gelände der ehemaligen Gemeindeschäferei. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Teile des Geländes an die katholische, die lutherische und die reformierte Kirchengemeinde verkauft, um Schulhäuser darauf zu errichten. Die Reformierten bauten das ehemalige Schafhaus an der Ecke Schwetzinger Straße/Schäfergasse zu einem Schulhaus um (heute eine Arztpraxis), die Katholiken erstellten ihr Schulhaus in der Schwetzinger Straße (heute ein Schreibwarengeschäft). Die Lutheraner errichteten kein eigenes Schulgebäude. Bald reichten die beiden Schulhäuser nicht mehr aus.

Am 19. Januar 1868 verkaufte der ledige Landwirt Michael Henn folgende „Gebäudlichkeiten zu einem Schulhaus" für 3.100 Gulden an die Gemeinde Kirchheim: ein einstöckiges Wohnhaus mit Scheuer und Stall „unter einem Dach" und ca. 20 Ruten Garten mit der Hausnummer 65 (heute Schäfergasse 5).

Bis das Bauernhaus umgebaut werden konnte, mußte erst noch ein Vergleich mit dem Nachbarn geschlossen werden. Dieser verpflichtete sich, den Teil seines Gartens, der an das angekaufte Anwesen grenzte, bis auf 140 Fuß solange das Schulhaus steht der Helle der Schule wegen" nicht zu überbauen und auch 12 Fuß vom Schulhaus entfernt keine Obst- oder anderen Bäume zu pflanzen. Er verpflichtete sich ferner, „das Küchenwasser des Schulhauses in seinem Garten zu dulden und in einer besonderen, dem Keller nicht zu nahe liegenden Grube, aufzubewahren". Als Entschädigung erhielt er den zwischen dem Schulhaus und seinem Garten liegenden Winkel von 6 Fuß Breite sowie 25 Gulden in bar. Über viele Jahrzehnte diente das Gebäude als Schulhaus mit zwei Klassenzimmern; im Obergeschoß wohnte die Lehrerfamilie.

Seit dem 29. 6. 1982, dem Jahrestag der ersten Erwähnung Kirchheims im Lorscher Codex (29. 6. 767), ist dort nun das Heimatmuseum eingerichtet. Bis es eröffnet werden konnte, war noch viel zu tun. In Zusammenarbeit mit dem Hochbauamt der Stadt Heidelberg, Kirchheimer Bürgern und Handwerkern wurden die zwei ehemaligen Schulzimmer hergerichtet. Interessierte Bürgerinnen und Bürger bildeten einen Arbeitskreis, der heute noch als Arbeitsgruppe Heimatmuseum im Stadtteilverein Kirchheim besteht. Als im August 1981 die Kirchheimer Bevölkerung aufgerufen wurde, Möbel, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Bilder und Urkunden zur Verfügung zu stellen, war die Ausbeute mehr als spärlich. Erst als Schornsteinfegermeister Manfred Heißler beinahe 200 Einzelstücke zur Verfügung stellte, konnte mit der Einrichtung des Heimatmuseums begonnen werden; von nun an ging alles viel leichter. Die Bevölkerung brachte ihre Schätze.

Von Anfang an hat die Arbeitsgruppe größten Wert darauf gelegt, nur Gegenstände aus Kirchheim oder solche, die eine Verbindung zu Kirchheim haben, auszustellen. In der Zwischenzeit wurden Tausende von Exponaten zusammengetragen, gereinigt, instandgesetzt und in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch eine Kunsthistorikerin beschrieben und inventarisiert.

Als im Jahre 1987 eine Wohnung im ersten Obergeschoß frei wurde, kamen 4 weitere Räume hinzu und wurden eingerichtet. Eine zweite Wohnung mit ebenfalls 4 Zimmern wurde Ende 1995 von der Stadt der Arbeitsgruppe zur Verfügung gestellt. Im Mai 1996 konnte unter Leitung des Hochbauamtes mit den Renovierungsarbeiten begonnen werden. In den Räumen wurde ein Tante-Emma-Laden, der etwa 15 Jahre im Feuerwehrhaus des Kurpfalzhofes untergestellt war, originalgetreu aufgebaut, nachdem er zuvor auseinandergesägt und an Ort und Stelle wieder zusammengebaut worden war.

Fast alle Gegenstände wurden so oft umgestellt, bis alle Mitglieder der Arbeitsgruppe das Ergebnis für gut befanden. Was kann man nun besichtigen?

Im gepflasterten Museumshof steht der Nachbau eines hölzernen Pumpbrunnens. Im Eingangsbereich des Gebäudes hängen Bilder vom alten Kirchheim und regen zum Fragen und zum Gespräch an; der Feuerwehr ist dort eine Nische gewidmet. In einem Raum ist neben der archäologischen Abteilung die geschichtliche eingerichtet. Wir sehen das Bild eines in Kirchheim gefundenen Bisonschädels mit zwei Hornzapfen von über einem Meter Spannweite, Bilder von der Bergung eines Mammutzahnes aus einer Kiesgrube, die erste Erwähnung Kirchheims im Lorscher Codex, ein Weistum aus dem Jahre 1432, Siegel der Gemeinde und der Edelfreien von Kirchheim, die Namen der Bürgermeister und Dokumentationen über den ehemaligen Kirchheimer See, die Schäferei, das Hochgericht, die merowingischen Reihengräberfriedhöfe und die St. Wolfgangkapelle. Alles ist auf großen Schautafeln übersichtlich und gut lesbar beschrieben. Gleich daneben ist die Schuhmacherei Sauter, die sich bis vor wenigen Jahren in einem der kleinen Lädchen an der Heiliggeistkirche befand, aufgebaut. An diese schließen sich eine Bäckerei und eine Konditorei an. Im selben Raum sind auch bäuerliche Kleingeräte ausgestellt.

In einem angrenzenden kleinen Zimmer ist die alte Drogerie der Familie Ball aus dem Jahre 1900 aufgestellt.

Im zweiten Zimmer steht als Leihgabe des Kurpfälzischen Museums das Modell einer römischen Töpferei. Hier stellen sich auch die Vereine vor, und einige Wirtshausbänke und -tische laden zum Verweilen ein.

Bevor man in das Obergeschoß steigt, kann man eine Kirchheimer Glocke läuten. Rings um den Glockenstuhl hängen Bilder der drei Kirchengemeinden. Im Vorraum des Obergeschosses sind alte Büroutensilien ausgestellt, und in einem weiteren kleinen Raum wird mit alten Geräten das mühsame Waschen in früherer Zeit dargestellt. Auch an die kleinen Zigarrenfabriken in Kirchheim wird erinnert: Tabakanpflanzung und -ernte werden gezeigt und die Zigarrenherstellung demonstriert. Gleich nebenan betritt man eine „Gute Stube" mit alten Musikinstrumenten; gleich daneben schließt sich ein Schlafzimmer mit einer „Reiseecke" an. In der Küche fehlen weder der Sandwasserstein noch das Fliegenglas und die Buttermaschine. Im alten Friseurgeschäft der Familie Huck kann man sich rasieren und kranke Zähne ziehen lassen. Gegenüber ein Kurzwarenladen, in dem auch ein altes Brautkleid, Hüte und noch original verpackte Bleyle-Anzüge zu bewundern sind. Viel altes Spielzeug lädt in einem weiteren Zimmer zum Spielen ein. Bevor man aber zu den Spielzeugen gelangt, betritt man einen Tante-Emma-Laden, in dem selbst die Türglocke nicht fehlt und wie ehedem Schinken und Würste an der Decke hängen. Im Schulzimmer halten sich die großen und kleinen Besucher am längsten auf; viele Klassen- und Lehrerbilder hängen an den Wänden.

Ein- bis zweimal im Jahr finden Sonderausstellungen statt.

In den nächsten Monaten sollen im Keller des Museums Most- und Weinfässer samt Zubehör aufgestellt werden. Zum Schutz der bäuerlichen Großgeräte wird der Museumshof teilweise überdacht werden (auf dem Museumsplatz gegenüber dem Heimatmuseum stehen schon ein alter Bauernwagen und eine Dreschmaschine). Im Giebelbereich der angrenzenden Scheune, die anläßlich der 100-Jahrfeier der Kurpfalzschule (1988) ausgebaut wurde, werden weitere bäuerliche und handwerkliche Arbeitsgeräte ausgestellt werden.

Das Kirchheimer Heimatmuseum - entstanden aus einer Initiative des Stadtteilvereins- versucht, mit möglichst genuinen Exponaten die Geschichte des ehemals selbständigen, 1920 nach Heidelberg eingemeindeten Ortes zu vermitteln. Besonderer Wert wird dabei auf die Darstellung der ehemals dörflichen Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Gemeinde gelegt. Im Jahre 1990 wurde das Kirchheimer Heimatmuseum vom Regierungspräsidium Nordbaden in Karlsruhe mit der Plakette „vorbildliches Heimatmuseum" ausgezeichnet.

Dieter Neuer

abgedruckt als: Das Kirchheimer Heimatmuseum, in: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt,
herausgegeben vom Heidelberger Geschichtsverein 2/1997, S. 247ff.

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