Einen ganz besonderen Platz in seinem Schaffen nimmt jedoch der
Holzschnitt ein. Das Material Holz an sich hatte für Grieshaber
bereits eine besondere Bedeutung. Es blieb, gerade weil es wetterfühlig
war, ein Stück erfahrbarer, organischer Natur, kein bloßer toter
Druckstock als Mittel zum Zweck. Dementsprechend verwahrte Grieshaber
seine Holzstücke, beschäftigte sich immer wieder mit ihnen und
hielt sie intakt: "... wenn es regnet oder geschneit hat, muß
ich mein Holz nachher lange pflegen, bis es wieder so glatt liegt
wie ein Tisch." Bis auf wenige Ausnahmen arbeitete Grieshaber
mit einem Messer, das er selbst hergestellt hatte und von dem
er sagte: "Dieses Messer sieht aus wie ein Messer, das die Gotiker
benutzt haben. Es schneidet genau, was ich geschnitten haben will,
und hinterlässt von sich keine Spur." Die Holzstöcke tragen dementsprechend
die ganz individuellen (gewollten) Spuren seiner Bearbeitung,
ob es sich nun um tiefe Einkerbungen, zarte Ansätze, federförmig
auslaufende Linien oder das Muster der flach angesetzten Schneide
handelt. Zudem glättete Grieshaber die Holzstöcke oft nicht bis
zur letzten Konsequenz, so dass Maserungen, Strukturen der Holzoberfläche
im Druck zu erahnen sind.
Seit 1932 setzte sich Grieshaber mit der Holzschnitttechnik auseinander,
die für ihn früh zum wichtigsten künstlerischen Medium wurde.
Standen seine ersten Holzschnitte noch unter dem Einfluss des
feingliedrigen Zeichenstils von Paul Klee und Lyonel Feininger,
verdichteten sich die dünnlinigen Umrisse seit Mitte der 1930er
Jahre zu blockhafteren Konturen und monumental
geschlossenen Figuren. Seine Farbholzschnitte, häufig mythologischen,
religiösen oder politisch engagierten Inhalts, zeigen Menschen,
Tiere und Pflanzen in großflächigen, kräftigen Formen. Seine Figuren
bleiben stets dem Gegenständlichen verhaftet. Zwar setzte er wie
viele seiner Zeitgenossen auch das Mittel der Abstraktion und
Verfremdung ein und arbeitete mit einer zeichenhaften Vereinfachung,
das Sujet an sich bleibt jedoch immer klar erkennbar.
Viele Farbholzschnitte Grieshabers füllen mit spitzwinkligen
Figurationen und komplizierten Formüberschneidungen die Fläche
dicht bis zum Rand und assoziieren im Hinblick auf Technik und
Formengut eine gewisse Hinwendung zum frühen Holzschnitt des 15.
Jahrhunderts - den ersten Einblattholzschnitten und den nach 1425
entstandenen Werken eines eher eckigen Stils. Andere Arbeiten
Grieshabers mit ihren ruhigen Binnen- und Hintergrundsflächen
und ihren fließenden Lineaturen scheinen eher Aspekte der Vasenmalerei
der Griechen aufzugreifen und in der ihm eigenen Art weiterzuentwickeln.
Im Vordergrund steht jedoch - u. a. mit der Abstrahierung der
Form und der damit einhergehenden intensiven Steigerung des Ausdrucks
- eine allgemeine expressionistische Grundhaltung, aus der heraus
er in einem persönlichen nachexpressionistischen Stil neue Ausdrucksmöglichkeiten
des Holzschnitts entwickelte. Anfang 1961 erschien in der Edition
Rothe in Heidelberg die Mappe "Dem Feuervogel". Die Folge umfasst
10 Holzschnitte in drei bis sechs Farben auf Japanpapier, die
sich in einer mit einem Titelholzschnitt versehenen Kassette befinden.
Die Mappe entstand in Zusammenhang mit Grieshabers Arbeit für
die Städtische Bühne in Heidelberg. Im Februar 1961 hatte eine
Aufführung des Strawinsky-Balletts "Der Feuervogel", für das Grieshaberdas
Bühnenbild gestaltet hatte, an der Städtischen Bühne in Heidelberg
Premiere.
Ebenfalls im Februar 1961 wurde in Braunschweig eine Ausstellung
mit Aquarellen Grieshabers eröffnet. Da er jedoch in Heidelberg
mit der Premiere des "Feuervogels" terminlich gebunden war, konnte
er an der Eröffnung in der Galerie Schmücking nicht teilnehmen.
Um das mit ihm befreundete Galeristenehepaar Henny und Rolf Schmücking
über seine Abwesenheit "hinweg zu trösten" bot er ihnen sein eigenes
Handexemplar
des "Feuervogels", seines Mappenwerkes, das in dieser Zeit bei
Rothe erscheinen sollte, an.
In die Handlung des Balletts "Schar pzitza" von Igor Strawinsky,
das 1910 in Paris uraufgeführt wurde, sind Elemente verschiedener
russischer Volksmärchen eingeflossen, die sich um den Feuervogel
bzw. den Zauberer Kaschtschej (oder Köstschei) ranken. Das getanzte
Märchen erzählt von der Suche Iwan Zarewitschs nach dem Feuervogel,
der Überwindung des Köstschei und der Erlösung der schönen Zarewna.
Hinsichtlich der Wahl der Motive für seine Holzschnittfolge orientiert
sich Grieshaber an Michail Fokins Libretto für Strawinskys Ballett
"Der Feuervogel", wobei er sich auf Darstellungen der Hauptpersonen
und Elemente des Bühnenbildes konzentriert. So stellt er beispielsweise
jeweils mehr oder minder blattfüllend den Feuervogel, den Zarewitsch
und die Zarewna sowie einen verzauberten Baum mit goldenen Äpfeln
aus dem Garten des Köstschei dar. Für die graphische Umsetzung
seiner Folge wählt er den Farbholzschnitt in Flächentechnik. Den
direkten Bezug zum Tanz und der russischen Märchenwelt stellt
Grieshaber in seiner Folge durch die Bewegtheit der Figuren, die
Kostüme und den Einsatz kyrillischer Buchstaben her.
Der Hauptprotagonist der Handlung, der Feuervogel, erscheint
in sechs kräftigen Farben, die Margot Fürst als schwarz, karmin,
Zinnober, orange, rosa und gold beschreibt. Sparsame weiße Binnenlinien
gliedern den Aufbau der kompakten Körperformen, die in Verbindung
mit den verschiedenen Farbdruckplatten einen malerisch differenzierten
und stark farbigen Effekt annehmen. Grieshaber verbindet die dekorative
Stilisierung und Vereinfachung der Formen mit einer ganz deutlichen
Charakterisierung der Figur des Feuervogels. Insbesondere das
flammenartige karmin- und zinnoberrote Gefieder definiert den
Dargestellten eindeutig als "Feuervogel". In der Bewegtheit der
gelängten, leicht verdrehten und weit nach hinten gebeugten Figur
ist zugleich die Assoziation des Tanzes gegeben. Die spitzwinklige
Komposition füllt die gesamte Darstellungsfläche und erinnert
damit an die bereits erwähnten frühen Holzschnitte des 15. Jahrhunderts.