Januar 2004
- Sammlungsblatt -

HAP (d.i. Helmut Andreas Paul) Grieshaber (1909 - 1981)
Der Feuervogel, 1961
aus der Mappe "Dem Feuervogel"
Holzschnitt in 6 Farben

 

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Der Holzschneider, Typograph, Drucker und Maler HAP Grieshaber gehört zu den bedeutendsten und eigenwilligsten deutschen Künstlern seiner Zeit. Sein Oeuvre zeichnet sich durch einen großen Variantenreichtum in Themen und Techniken aus. So entwarf er u. a. Plakate, Bühnenbilder, Dekorationen und Kostüme für Theateraufführungen, Muster für Tapeten, Stoffe, Porzellan und Keramik. Darüber hinaus entstanden Arbeiten für den öffentlichen Raum wie Holzreliefs, Mosaike, Wandmalereien und Glasfenster.

 

Einen ganz besonderen Platz in seinem Schaffen nimmt jedoch der Holzschnitt ein. Das Material Holz an sich hatte für Grieshaber bereits eine besondere Bedeutung. Es blieb, gerade weil es wetterfühlig war, ein Stück erfahrbarer, organischer Natur, kein bloßer toter Druckstock als Mittel zum Zweck. Dementsprechend verwahrte Grieshaber seine Holzstücke, beschäftigte sich immer wieder mit ihnen und hielt sie intakt: "... wenn es regnet oder geschneit hat, muß ich mein Holz nachher lange pflegen, bis es wieder so glatt liegt wie ein Tisch." Bis auf wenige Ausnahmen arbeitete Grieshaber mit einem Messer, das er selbst hergestellt hatte und von dem er sagte: "Dieses Messer sieht aus wie ein Messer, das die Gotiker benutzt haben. Es schneidet genau, was ich geschnitten haben will, und hinterlässt von sich keine Spur." Die Holzstöcke tragen dementsprechend die ganz individuellen (gewollten) Spuren seiner Bearbeitung, ob es sich nun um tiefe Einkerbungen, zarte Ansätze, federförmig auslaufende Linien oder das Muster der flach angesetzten Schneide handelt. Zudem glättete Grieshaber die Holzstöcke oft nicht bis zur letzten Konsequenz, so dass Maserungen, Strukturen der Holzoberfläche im Druck zu erahnen sind.

Seit 1932 setzte sich Grieshaber mit der Holzschnitttechnik auseinander, die für ihn früh zum wichtigsten künstlerischen Medium wurde. Standen seine ersten Holzschnitte noch unter dem Einfluss des feingliedrigen Zeichenstils von Paul Klee und Lyonel Feininger, verdichteten sich die dünnlinigen Umrisse seit Mitte der 1930er Jahre zu blockhafteren Konturen und monumental

geschlossenen Figuren. Seine Farbholzschnitte, häufig mythologischen, religiösen oder politisch engagierten Inhalts, zeigen Menschen, Tiere und Pflanzen in großflächigen, kräftigen Formen. Seine Figuren bleiben stets dem Gegenständlichen verhaftet. Zwar setzte er wie viele seiner Zeitgenossen auch das Mittel der Abstraktion und Verfremdung ein und arbeitete mit einer zeichenhaften Vereinfachung, das Sujet an sich bleibt jedoch immer klar erkennbar.

Viele Farbholzschnitte Grieshabers füllen mit spitzwinkligen Figurationen und komplizierten Formüberschneidungen die Fläche dicht bis zum Rand und assoziieren im Hinblick auf Technik und Formengut eine gewisse Hinwendung zum frühen Holzschnitt des 15. Jahrhunderts - den ersten Einblattholzschnitten und den nach 1425 entstandenen Werken eines eher eckigen Stils. Andere Arbeiten Grieshabers mit ihren ruhigen Binnen- und Hintergrundsflächen und ihren fließenden Lineaturen scheinen eher Aspekte der Vasenmalerei der Griechen aufzugreifen und in der ihm eigenen Art weiterzuentwickeln. Im Vordergrund steht jedoch - u. a. mit der Abstrahierung der Form und der damit einhergehenden intensiven Steigerung des Ausdrucks - eine allgemeine expressionistische Grundhaltung, aus der heraus er in einem persönlichen nachexpressionistischen Stil neue Ausdrucksmöglichkeiten des Holzschnitts entwickelte. Anfang 1961 erschien in der Edition Rothe in Heidelberg die Mappe "Dem Feuervogel". Die Folge umfasst 10 Holzschnitte in drei bis sechs Farben auf Japanpapier, die sich in einer mit einem Titelholzschnitt versehenen Kassette befinden. Die Mappe entstand in Zusammenhang mit Grieshabers Arbeit für die Städtische Bühne in Heidelberg. Im Februar 1961 hatte eine Aufführung des Strawinsky-Balletts "Der Feuervogel", für das Grieshaberdas Bühnenbild gestaltet hatte, an der Städtischen Bühne in Heidelberg Premiere.

Ebenfalls im Februar 1961 wurde in Braunschweig eine Ausstellung mit Aquarellen Grieshabers eröffnet. Da er jedoch in Heidelberg mit der Premiere des "Feuervogels" terminlich gebunden war, konnte er an der Eröffnung in der Galerie Schmücking nicht teilnehmen. Um das mit ihm befreundete Galeristenehepaar Henny und Rolf Schmücking über seine Abwesenheit "hinweg zu trösten" bot er ihnen sein eigenes Handexemplar

des "Feuervogels", seines Mappenwerkes, das in dieser Zeit bei Rothe erscheinen sollte, an.

In die Handlung des Balletts "Schar pzitza" von Igor Strawinsky, das 1910 in Paris uraufgeführt wurde, sind Elemente verschiedener russischer Volksmärchen eingeflossen, die sich um den Feuervogel bzw. den Zauberer Kaschtschej (oder Köstschei) ranken. Das getanzte Märchen erzählt von der Suche Iwan Zarewitschs nach dem Feuervogel, der Überwindung des Köstschei und der Erlösung der schönen Zarewna.

Hinsichtlich der Wahl der Motive für seine Holzschnittfolge orientiert sich Grieshaber an Michail Fokins Libretto für Strawinskys Ballett "Der Feuervogel", wobei er sich auf Darstellungen der Hauptpersonen und Elemente des Bühnenbildes konzentriert. So stellt er beispielsweise jeweils mehr oder minder blattfüllend den Feuervogel, den Zarewitsch und die Zarewna sowie einen verzauberten Baum mit goldenen Äpfeln aus dem Garten des Köstschei dar. Für die graphische Umsetzung seiner Folge wählt er den Farbholzschnitt in Flächentechnik. Den direkten Bezug zum Tanz und der russischen Märchenwelt stellt Grieshaber in seiner Folge durch die Bewegtheit der Figuren, die Kostüme und den Einsatz kyrillischer Buchstaben her.

Der Hauptprotagonist der Handlung, der Feuervogel, erscheint in sechs kräftigen Farben, die Margot Fürst als schwarz, karmin, Zinnober, orange, rosa und gold beschreibt. Sparsame weiße Binnenlinien gliedern den Aufbau der kompakten Körperformen, die in Verbindung mit den verschiedenen Farbdruckplatten einen malerisch differenzierten und stark farbigen Effekt annehmen. Grieshaber verbindet die dekorative Stilisierung und Vereinfachung der Formen mit einer ganz deutlichen Charakterisierung der Figur des Feuervogels. Insbesondere das flammenartige karmin- und zinnoberrote Gefieder definiert den Dargestellten eindeutig als "Feuervogel". In der Bewegtheit der gelängten, leicht verdrehten und weit nach hinten gebeugten Figur ist zugleich die Assoziation des Tanzes gegeben. Die spitzwinklige Komposition füllt die gesamte Darstellungsfläche und erinnert damit an die bereits erwähnten frühen Holzschnitte des 15. Jahrhunderts.

Der Feuervogel, 1961

aus der Mappe "Dem Feuervogel", 41/50 (arabisch nummerierte Exemplare), signiert Holzschnitt in 6 Farben, 52,2 x 38,8 cm (Blatt), Inv. Nr. S 7694

Text: Anja-Maria Roth

Literatur

Margot Fürst: Grieshaber - Der Drucker und Holzschneider. Stuttgart 1965.
Karl-Heinz Kukla und Horst Zimmermann: HAP Grieshaber - Holzschnitte. Ausstellungskatalog Neue Berliner Galerie, Kunsthalle Rostock, Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Berlin 1978.
Margot Fürst: Grieshaber- Die Druckgraphik. Werkverzeichnis. Bd. 1. 1932-1965. Stuttgart 1986.
Gerd Spies: Grieshaber - Briefe an R. und H. Schmücking. In: G. Spies (Hrsg.): Braunschweiger Werkstücke. Reihe B. Veröffentlichungen aus dem Städtischen Museum. Bd. 15. Braunschweig 1992.

 

 

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