Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Februar2001

Der Unterkiefer von Mauer

Am 21. Oktober 1907 gab die Sandgrube von Grafenrain einen der wichtigsten archäologischen Funde Europas frei, der zu weltweiter Berühmtheit gelangen sollte. Dort, am Nordrand von Mauer, einer Gemeinde 10 km südöstlich von Heidelberg, wurde ein fossiler menschlicher Unterkiefer gefunden, der sofort nach seiner Entdeckung durch den Arbeiter Daniel Hartmann als dem „Adam" zugehörig bestimmt wurde.
Die Bergung des Unterkiefers war das Ergebnis langjähriger systematischer Arbeit. Maßgeblichen Anteil daran hatte der Heidelberger Professor Otto Schoetensack (1850 — 1912), der seit 1887 regelmäßig die Sandgrube in Grafenrain besucht hatte und über viele Jahre die dortigen Arbeiter in Anatomie „trainierte" und die immer wieder gefundenen fossilen Tierknochen bestimmte. Der Maurer Fund wurde von ihm 1908 als „Homo heidelbergensis" der Wissenschaft bekannt gemacht. Er wird heute zu den Unterarten des Homo erectus gezählt und als „Homo erectus heidelbergensis" bezeichnet oder in die Gruppe des Homo sapiens eingeordnet und als „archaischer Homo sapeins" geführt. Er scheint die Stammform aller späteren europäischen Menschen gewesen zu sein und wird datiert auf ca. 600.000 Jahre v. Chr.

Der Unterkiefer lag in einer warmzeitlichen Sandschicht, die vom Neckar in einer Mäanderschlinge abgelagert worden war. Diese Sande, mit einer Mächtigkeit von 14 m, sind von bis zu 13 m starken Löss und Lösslehm-Schichten aus nachfolgenden Eiszeiten bedeckt.

Der Fund war bei seiner Entdeckung vollständig, zwei Zähne lösten sich bei der Präparation und gingen während des 2. Weltkriegs verloren. Der Kiefer ist sehr robust und zeigt Verwandtschaft mit den aus Java und China bekannten Urmenschen. Er gehörte wahrscheinlich zu einem männlichen Individuum, das, vielleicht bei einem Unfall, im Neckar ertrank. Ob er jedoch an der Fundstelle selbst ertrank oder ob der Neckar den Körper noch eine Strecke weit transportierte, muss offen bleiben.

Das Lebensumfeld des Menschen von Mauer lässt sich aus den zahlreichen fossilen Tierknochen aus der Fundschicht erschließen, unter denen sich auch solche von Waldtieren wie Rothirsch, Reh, Wildschwein und Waldelefant, aber auch vom Wildpferd finden. Der Maurer Mensch lebte also in einer offenen Waldlandschaft, wie sie für die warmzeitlichen Klimaphasen der Eiszeit charakteristisch ist.

Textvorlage: Renate Ludwig

Menschlicher Unterkiefer (Kopie), ca. 600.000 v. Chr.
gefunden in Mauer, Rhein-Neckar-Kreis (1907)
Foto: VE.DO/ R.Ajtai
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