Alle drei
Exemplare bestehen aus gegossener Bronze, waren einst mit Email
verziert und nach dem Vorbild von Tieren oder Phantasiewesen gestaltet.
Der springende Delphin ist mit langem Schnabel, einer kammartigen
Rückenflosse und einer abgewinkelten Schwanzflosse dargestellt.
Mit feinen Kerbstrich-Gravuren ist die Oberseite dekoriert, und
kreisförmige Grübchen für die Augen und ein Napf in der Schwanzspitze
besaßen ursprünglich Einlagen aus Email. Sehr lebensecht ist der
Frosch gestaltet. In zwei Vertiefungen im Rücken befinden sich
noch Reste von orangefarbenem Email. Die dritte Fibel besitzt
eine flache, rhombische Bügelplatte, an deren Ecken runde Näpfe
angesetzt sind. Zwei Fortsätze an den Schmalseiten der Platten
erinnern an Köpfchen mit runden Augen, einer Art Schnabel und
langem Hals. Durch Gravuren wird eine feine Schuppung oder Fiederung
des doppelköpfigen Wesens angedeutet. Und leuchtend rote Emaileinlagen
zieren die Bügelplatte und die Rundeln.
Fibeln erfüllten in erster Linie den Zweck, Kleidungsstücke nach
dem Prinzip der Sicherheitsnadel zusammenzuheften. Während der
späten Bronzezeit, gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr., wurden
die Spangen in Nordeuropa bereits als praktische Alternative zu
den einfachen, starren Metallnadeln getragen.
In den folgenden Jahrhunderten bestand die Konstruktion meist
aus einer Nadel, die in einer elastischen Federspirale mit zwei
oder mehr Windungen endete. In der römischen Kaiserzeit waren
auch Fibeln mit anderen Verschlussvorrichtungen in Gebrauch. Dazu
gehört auch das Backenscharnier, bei dem sich eine Nadel auf einer
Scharnierachse bewegt. Diese wird auf der Unterseite der Fibel
von zwei parallel stehenden Plättchen (Backen) gehalten. Alle
drei Heidelberger Exemplare sind nach diesem Prinzip konstruiert,
wobei die Achsen mit den Nadeln nicht mehr vorhanden und die Scharniere
beschädigt sind.
Im Verlauf der römischen Kaiserzeit, v. a. im 2. Jahrhundert n.
Chr., gewinnt neben dem technischen Zweck der Fibel deren Funktion
als Schmuckelement an Bedeutung. Die Freude am auffälligen Dekor
und an originellen Formen erlebt einen Aufschwung. Dies führt
auch zu einer Renaissance des durch Metalloxyde gefärbten Glasflusses,
der heute als Email bezeichnet wird. Zunächst dekorierte man die
mit kleinen Vertiefungen versehenen Bronzegegenstände mit einfarbigen,
später auch mit vielfarbigen Glasschmelzen. Bereits die Kelten
perfektionierten die Technik des Emaillierens, und es gilt mittlerweile
als wahrscheinlich, dass eine kontinuierliche Tradition von diesen
handwerklichen Ursprüngen bis in die römische Epoche führt. Von
Nachteil war, dass die Emailfüllungen leicht aus den Zellen ausfielen,
sich Glas und Metall nicht dauerhaft verbinden ließen. Auch wenn
sich die römerzeitlichen Produktionsstätten bislang nicht genau
lokalisieren lassen, so gibt es doch Indizien dafür, dass sich
kleine Werkstätten im niederrheinischen und belgischen Provinzgebiet
auf Dekorationen mit Emailzier spezialisiert hatten.
Die drei ‚zoomorphen‘ (tiergestaltigen) Fibeln aus Heidelberg
weisen wie zufällig ein besonderes Merkmal auf: Sie besitzen insgesamt
vier Augenpaare! Abbildungen von Augen haben in der Antike eine
‚apotropäische’, d. h. unheilabwehrenden Wirkung. Andere, ganz
unfigürlich gestaltete Fibeltypen, die dennoch mit einem Augenpaar
verziert sind, unterstreichen diese Bedeutung: Sie sollen ihren
Träger schützen.
Die Fibel ist eigentlich ein ‚unrömisches’ Tracht- element, das
nicht zur stadtrömischen Bekleidung gehörte. Der Bewohner Roms
verwendete die Gewandspange allenfalls, um auf der rechten Schulter
seinen Mantel (sagum) zu schließen. In den ursprünglich keltischen
Gegenden des Reiches waren die Fibeln dagegen bei Frauen und Männern
beliebt. Drei und mehr Fibeln sind typische Bestandteile der ‚provinzialrömischen’
Frauentracht. Die Trageweise ist durch wenige Porträts auf Grabsteinen
überliefert. Demnach diente ein Fibelpaar dazu, ein röhrenförmiges,
ähnlich dem griechischen Peplos geschnittenes Kleid auf den Schultern
zu verschließen. Eine dritte Fibel fixierte dieses Gewand im Brustbereich
an einem langärmligen, fein gewobenen Untergewand.
Auch die drei Exemplare aus Heidelberg dürften in dieser Funktion
verwendet worden sein. Sie stammen aus einer ovalen Grabgrube
(0,80 m x 0,70 m), die im Jahre 1967 während der Ausgrabungen
im Gräberfeld von Heidelberg-Neuenheim freigelegt wurde. Derzeit
werden die Funde im Rahmen eines Forschungsprojektes bearbeitet
(s. u. a. Kunstwerke der Monate Juli 2004 und Februar 2005). Bei
dem untersuchten Grab handelt es sich um eine beigabenreiche Brandbestattung
aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Zahlreiche Gegenstände
waren auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden; und nach der Deponierung
der sterblichen Überreste haben die Angehörigen auch unversehrte
Dinge in die Grabgrube gestellt. Während ein Trinkbecher und eine
Öllampe zu den üblichen Elementen des Bestattungsritus gehören,
ist ein bronzener Löffel zu den selteneren Beigaben zu zählen.
Eine Schmuckperle aus Quarzkeramik, eine beinerne Haarnadel sowie
ein verbrannter Handspiegel sind sichere Hinweise auf das Geschlecht
der Toten. In seiner Gesamtheit lässt das Ensemble auf eine Bewohnerin
des Heidelberger Vicus schließen, die sich an den römischen Lebensstil
angepasst hatte und gleichzeitig an traditionellen Trachtsitten
festhielt . Es könnte sein, dass die Nadeln mit Absicht abgebrochen
worden sind, um die Stücke unbrauchbar und damit für Grabräuber
uninteressant zu machen.
In nur ca. 5 % der Heidelberger Gräber konnten Fibeln nachgewiesen
werden. In den meisten Fällen wurden sie auf dem Scheiterhaufen
mitverbrannt, wie gelegentlich erhaltene Fragmente verraten. Oft
dürften die Stücke allerdings bis zur Unkenntlichkeit verschmolzen
sein. Die hier vorgestellten unverbrannten Exemplare sind dagegen
erst nach der Beisetzung deponiert worden. Lediglich in einem
weiteren von etwa 1400 Gräbern der Nekropole konnten drei und
in einem anderen Beigabenensemble sogar vier Fibeln nachgewiesen
werden. Von den Gewändern der Verstorbenen ist nichts erhalten
geblieben - unabhängig davon, ob die Wollstoffe verbrannt oder
unversehrt beigegeben worden waren. Als nichttextile Trachtbestandteile
können die Fibeln immerhin einige wenige Hinweise zur Bekleidung
geben.
Im Verlauf des 2. Jahrhunderts ist in den germanischen Provinzen
ein allgemeiner Rückgang der Mehrfibeltracht zu verzeichnen. Sie
scheint im Zuge der fortschreitenden Romanisierung ganz aus der
Mode zu kommen und von stadtrömischen Trachtgewohnheiten verdrängt
zu werden.
Text:
Andreas Hensen
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