Kunstwerk des Monats
September 2005
- Sammlungsblatt -

Secretaire de Dame à dos d'âne

Benedikt - Kunstwerk des Monats im Kurpfälzishcen Museum Heidelberg

Ein Möbel aus dem Schloss der Grafen von Oberndorff in Edingen
Mannheim, um 1770

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelte sich aus dem spanischen Vargueno (einem Kastenmöbel mit vorn zu öffnender Klappe, hinter der sich eine große Zahl kleiner Laden verbirgt) in Deutschland der Kabinettschrank. Schreibarbeiten wurden zu dieser Zeit noch am Tisch erledigt. Briefe, Urkunden, Schriftstücke aller Art sowie Kostbarkeiten und Kleinodien wurden in dem mit zahlreichen Schubladen ausgestatteten Kabinett aufgehoben.


Diese Kabinette hatten entweder ein eigenes Fußgestell oder wurden auf Tische abgestellt. In den Sammlungen unseres Hauses besitzen wir ein Lackkabinett aus dem Ende des 17. Jahrhunderts (im Münzkabinett ) und ein marquetiertes Kabinett aus dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts (Bibliothek des Palais Morass).

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts verbanden sich in Deutschland die Kommode, das Schreibpult und das Kabinett zu dem aufrecht stehenden "Secretaire ätrois corps". Ein solches aufwendiges Möbel können wir als Arbeit des pfälzischen Meisters Bernhard Engisch aus dem Jahre 1738 in der Bibliothek des Palais präsentieren. Diese Form behält das bürgerliche Schreibmöbel während des gesamten 18. Jahrhunderts bei, wie wir es an einem Exemplar des Roentgenschü-lers Johann Michael Rummer aus dem letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sehen können (Solitaireraum).
Im 19. Jahrhundert wandelt sich der Schreibschrank zum "Secretaire ä abattant", dem geraden Kastenmöbel mit herunterklappbarer Schreibfläche.
In Frankreich wurde etwa gegen 1730 ein veränderter Typus des Schreibmöbels entwickelt. Der Kabinettaufsatz wurde vom Schreibschrank genommen und die Kommode verlor eine Schublade. Damit löste sie sich von der Schwere des Vorgängermöbels. Die Zone der Lambris ( halbhohe Holztäfelung der Räume) wurde kaum noch überragt, die geschnitzten oder bemalten Wandtäfelungen in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt. Diese Möbelform folgte dem allgemeinen Trend zu kleinen und zierlichen Möbeln, passend zu den neuerlich bevorzugten "petits appartements".
Im späten Louis XV. geschah ein weiterer Schritt zur Rückentwicklung und Division der einzelnen Möbelteile. Tisch und Pult verschmolzen zum Pultsekretär. Nach dessen schräger Schreibklappe, die wie der Rücken eines Esels gebogen ist, heißen die Secretaires "ä dos d'äne". Durch besonders zierliche und geschweifte Beine wurde ein Höchstmaß an Eleganz erreicht.
In dieser Zeit wurden die Schlösser des Kurfürsten Carl Theodor fast ausschließlich mit französischen Möbeln ausgestattet. Französischer Einfluss war auch in den Werkstätten der Mannheimer Hoftischler spürbar. Dies hatte zur Folge, dass die Möbel des Hofebenisten Jacob Kieser kaum noch von den französischen Originalen zu unterscheiden waren.
Heidelberg war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine bedeutungslose Stadt. Der Hof residierte in Mannheim, ab 1779 in München, die Universität wurde kaum noch von Studenten besucht, da die Professoren eine engstirnige, bigotte und wissenschaftsfeindliche Haltung im strengen Sinn der Rekatholisierung des Landes eingenommen hatten. Das Handwerk war völlig auf den bürgerlichen Abnehmerkreis eingestellt, neuartige Ornamentik und modische Accessoires wurden abgelehnt.
Es ist völlig undenkbar, dass in diesem Umfeld ein solch hochmodernes Möbel Pariser Form entstehen konnte. Der Auftraggeber war der einflussreiche Graf Oberndorff, Statthalter des Kurfürsten und als solcher dem Mannheimer Kulturkreis verpflichtet.
Der Hersteller des Möbels verfügte jedoch nicht über eine direkte Anschauung, sondern ausschließlich über Kupferstichvorlagen eines französischen Vorbildes. So kommt es, dass das Oberteil zu massig für die zierlichen Beine geriet und die Schweifungen und Bauchungen zu stark aus der heimischen Tradition entwickelt wurden.
Was die Marqueterie (Einlegearbeit) betrifft, so werden hier verschiedene Vorlagen wirksam. Am altertümlichsten ist die Arbeit auf den Schultern und der Deckplatte des Pultes. Hier werden die seit der Zeit der Regence (1715-1723) beliebten C- und S-Linien zu Rahmungen verbunden, deren Mittelfeld das beliebte Gittermotiv ausfüllt. Die beiden gebauchten und geschweiften Seiten übernehmen das Pfauenfedermotiv, das von Johann August Nahl stammt und am vorzüglichsten bei der in Schloss Wilhelmsthal bei Kassel um 1750/60 ausgeführten Kommode ausgebildet ist. Die Kenntnis Nahl'scher Entwürfe könnte über die Zweibrücker Schwester der Kurfürstin in die Pfalz gelangt sein, da diese Nebenlinie ein Palais in Straßburg besaß und Nahl im benachbarten Palais Rohan bedeutende Werke hinterlassen hat.
Die fortschrittlichsten Dekorationsformen finden wir auf der Schreibklappe und dem rückseitigen Marqueteriefeld. Die perspektivisch wirkenden Würfel und das Fischgrätmuster sind hochmodische Neuheiten aus den Pariser Ateliers der führenden Ebenisten. Dort werden sie allerdings ausschließlich für die geradlinien Möbel im reinen Louis XVI.-Stil angewendet.
Zusammmenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei unserem Möbel um einen französisch inspirierten deutschen Sekretär im Übergangsstil vom Louis XV. zum Louis XVI. handelt, der auf Grund seiner ambivalenten Haltung Transition (lat:transire= hinübergehen) genannt wird.

Carl Ludwig Fuchs

Literatur:

Herrmann Schmitz: Deutsche Möbel des Barock und Rokoko. Stuttgart 1923
Heinrich Kreisel: Die Kunst des deutschen Möbels, Bd.II, Spätbarock und Rokoko. München 1970 Gerhard Dietrich: Schreibmöbel vom Mittelalter zur Moderne. München 1986

 

Secretaire de Dame à dos d'âne
Ein Möbel aus dem Schloss der Grafen von Oberndorff in Edingen
Mannheim, um 1770
Inv. Nr. Mb. 224

Bild: Museum
 
 
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