Auf der Grundlage der Sammlung Wolfgang Haney

Zur Bild-Dokumentation Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt und des Museums für Kommunikation Frankfurt im Kurpfälzischen Museum Heidelberg
Judenfeindliche Propaganda stützt sich in Deutschland auf eine lange Tradition. Bereits aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit sind Abbildungen bekannt, die die gängigen Klischees über Juden aufgreifen. Die Bandbreite reicht dabei vom vermeintlich harmlosen Spott bis hin zu Verunglimpfung, Herabsetzung und zur Hetze. Mit dem Aufkommen der Postkarte bot sich der Bildpropaganda auf diesem Gebiet ein ganz neues Betätigungsfeld.

Die Postkarte stellt kommunikationssoziologisch die Möglichkeit dar, unter Verzicht auf gewählte, anspruchsvolle (Gruß- und Abschieds-)Floskeln und auf komplexere syntaktische Strukturen einfache „Mitteilungen" zu verschicken. Insofern war die Postkarte (oder „Korrespondenzkarte") ein Medium, das den einfacheren Sprach- und Mitteilungsformen der kleinbürgerlichen Schichten entgegenkam. Auf einer Postkarte genügte bereits ein „Liebe Berta! Wir sind gut angekommen. Es geht uns gut!"

Von Anfang an war die Postkarte auch Träger von Bild-Informationen. Kurorte und Sommerfrischen hatten die Möglichkeit, sich so darzustellen. Objekte wurden auf Postkarten gebracht, die man heute auf diesem Medium längst vergebens sucht. Der schnelle Gruß aus der Sommerfrische kam in Mode. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch gut an die großmütterlichen Kreuze auf Urlaubskarten: „Hier wohnen wir!"

Das wilhelminische Deutschland ist nun (unter anderem) sowohl durch eine Zunahme der Mobilität in der Bevölkerung durch raschen Ausbau des Eisenbahnnetzes als auch durch industrielle Fertigung dieser Bildpostkarten in Massenauflagen gekennzeichnet. Von der inneren Struktur her trägt es den Geburtsfehler in sich, das Selbstverständnis der Nationsbildung aus einem Feindbild heraus, und die Staatsbildung aus dem Kampf gegen diesen Feind herzuleiten. Wenn aber ein Feind herhalten muss, um die Nation zusammemzuhalten, ist das Selbstverständnis der Nation auf Intoleranz gebaut. Wenn dann der äußere Feind besiegt ist, oder wenn es inopportun ist, das äußere Feindbild zu pflegen, dann wächst schnell ein innerer Feind heran, gegen den sich die „guten" Kreise der Nation zusammenschließen müssen. Das ist eine Seite des wilhelminischen Antisemitismus, das ist genauso eine Seite des bismarckschen Kampfes gegen die Sozialisten.

Die Ausstellung zeigt nun, in welch rasantem Tempo auch die antisemitische Propaganda sich dieses Mediums bemächtigte - und möglicherweise gerade durch die Vorliebe kleinbürgerlicherer Kreise für die Bild-Postkarte gefördert wurde. Sie zeigt weiterhin, mit welchen - zumTeil uralten -Klischees die antisemitische Propaganda arbeitete.

Besonders hervorstechend ist dabei die klischeehafte Überzeichnung der Eigenschaften, die man propagandistisch den Juden zuschrieb. Die Darstellung der Juden entsprang immer derselben Typologie: gedrungener Körperbau, rundes Gesicht, krumme Nase - und der „spezifische" Charakter zeigte sich in verzerrten Gesichtszügen.

Diese „Erkenntnisfähigkeit" gegenüber der jüdischen Bevölkerung wurde auch im jüdischen Witz karikiert, als während der Musterung der Arzt feststellt: „Nase: gerade". Als jedoch auf die Frage nach der Religion „mosaisch" genannt wird, streicht der Arzt das „gerade" wieder und setzt „krumm" ein. Ausflüsse dieser „Erkenntnisfähigkeit" sind in der Ausstellung ebenfalls vertreten.

Besonders zu nennen ist für dieses Klischee vom „häßlichen Juden" das Plakat aus der Frühzeit des Nationalsozialismus, das diese Karikatur eines „typischen" Juden hinter der „reinen" deutschen Jungfrau zeigt - und beide über einem offenen Sarg.

Die Lösung für alle Probleme, die man den Juden zuschrieb, lag schon früh in ihrer Ausgrenzung, dann in der Entfernung aus dem „reinen" deutschen Volkskörper, aus dem Hotel, aus dem Seebad, aus dem Dorf, aus dem Land. Und schließlich auch in ihrer physischen Auslöschung.

Der Berliner Sammler Wolfgang Haney, der selbst als „Mischling 1. Grades" nach 1933 verfolgt wurde, konnte innerhalb recht kurzer Zeit, vor wenigen Jahren noch, auf dem Sammlermarkt über 1000 judenfeindliche Bildpostkarten aus der Zeit zwischen 1880 und 1940 erwerben - mit der ausdrücklichen Absicht, hier einen Teil der Wurzeln zu zeigen, aus denen der Anisemitismus der Nationalsozialisten seien Nahrung zog. Die Ausstellung wird präsentiert vom Jüdischen Museum und dem Museum für Kommunikation, beide in Frankfurt/Main, und von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Heinrich Böll-Stiftung unterstützt. Zur Ausstellung ist ein umfangreiches Kataloghandbuch im Umschau/Braus-Verlag erschienen.

Kurpfälzisches Museum Heidelberg

2. April - 12. Juni 2000

 

Geöffnet täglich außer Montag 10 - 17 Uhr, Mittwoch 10 - 21 Uhr
Eintritt DM 10.- / DM 5.-
Informationen (Gruppenführungen) unter Tel. 06221 - 58 34 56

Den Katalog gibts hier


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