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Zeugnisse der "Schwertträger" |
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Historisches Museum der Pfalz Speyer zeigt Gegenstände des spätbronzezeitlichen Adels |
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Das Historische Museum der Pfalz Speyer zeigt vom 8. Juli bis 2. September 1997 in der ehemaligen Synagoge in Rülzheim in einer Sonderpräsentation spätbronzezeitliche Exponate aus seinem Bestand. Die Präsentation ist Teil des neuen Projekts "Museum unterwegs" des Historischen Museums der Pfalz Speyer, bei dem Ausstellungsstücke aus den Depots des Museums außerhalb Speyers gezeigt werden. In Rülzheim sind es 13 Grabfundensembles mit insgesamt 70 Objekten, darunter Waffen, Trachtzubehör und Trachtschmuck, meistens aus Bronze, vereinzelt aus Gold, sowie drei aus dem Rhein geborgene Schwerter aus dem Zeitraum 1400 bis 800 v. Chr., die als wichtige Zeugnisse die spätbronzezeitliche Geschichte, Kultur und Gesellschaftsentwicklung dokumentieren. | |||||||
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Die Familien der sogenannten Schwertträger - das waren
Persönlichkeiten der gesellschaftlichen Oberschicht, die sich durch
die Beigabe des Schwertes als Statussymbol im Grab auszeichneten - grenzten
sich von der übrigen Bevölkerung ab. Es waren "alte Familien" mit
über Generationen vererbtem Besitz und Vorrang, die das Land weitgehend
unter sich aufteilten und wohl auch die Masse des beweglichen Besitzes auf
sich vereinten. Im westlicheren Mitteleuropa war diese Gesellschaftsschicht
hierarchisch nicht weiter untergliedert. Die Schwertträger selbst hat
man sich am ehesten als Sippen- oder Clansoberhäupter vorzustellen.
In ihrem großbäuerlichen Lebensstil dürften sie den in der
Odyssee geschilderten adeligen Herren auf lthaka vergleichbar sein. Der
Schwertträgeradel war die treibende Kraft bei der Formierung von
Stämmen und Völkerschaften in festen Territorien, die die Keimzellen
der erst später überlieferten Völker Alteuropas und damit
auch des keltischen Volkstums bildeten.
In den Grabfunden wird die Sonderrolle des "Schwertträgeradels" vor allem in dem Zeithorizont um die Mitte des 12. Jhs. v. Chr. sichtbar, der in der Ausstellung durch Grabinventare aus Speyer, Wollmesheim und Ludwigshafen-Rheingönheim (Vitrinen 4 und 5) repräsentiert ist Diese Totenausstattungen (die allerdings durch den Ritus der Leichenverbrennung nur fragmentarisch erhalten sind) zeigen sehr traditonsbewußte, letztlich in der Mittelbronzezeit wurzelnde Züge. Die bronzenen, mit großen Spiralscheiben besetzten sogenannten Beinbergen (Beinschmuck) stellen einen Schmucktypus dar, der bis ins 15. Jahrhundert v. Chr. zurückreicht. Während des 13. Jhs. v. Chr. verschwand er aus dem allgemeineren Gebrauch. Im 12. und 11. Jh. v. Chr. wurde er in demonstrativem Traditionalismus und zugleich pompös übersteigert nur noch von den Frauen der Oberschicht getragen. Die Mehrzahl der Grabfunde solcher Beinbergen stammt von Frauen, die zusammen mit einem Schwerträger bestattet waren. Dabei sind solche Doppelbestattungen zu häufig, als daß man sie durch zufällig gleiches Todesdatum erklären könnte. Witwenfolge ins Grab ist denkbar. Aus dem Grabinventar von Ludwigshafen-Rheingönheirm ist die (nur als Fragment erhaltene) Sichel hervorzuheben, ein Gerät das in der Totenausstattung dem Schwertträgeradel vorbehalten war und wohl seine Landbesitzerrolle symbolisiert und die Verstorbenen als "Herrn bzw. Herrin des fruchtbaren Landes" bezeichnet. Die Grabausstattungen aus dem 14. Jh. v. Chr. und der ersten Hälfte des 13. Jhs. v. Chr. (Vitrinen 1 -3) sind einfacher, durchaus dazu stimmend, daß sie zeitlich erst am Anfang der Entwicklung zu der später fast kastenartig abgehobenen Oberschicht stehen. Schwertträgergräber sind noch selten, teils weil das Schwert als neue Waffe die altgewohnte Streitaxt erst im Verlauf des 14. Jhs. v. Chr. ablöste, teils weil die Waffenbeigabe anscheinend noch nicht verbindlich war. In den aus dem Rhein geborgenen Schwertern läßt sich eine religiöse Führungsrolle des spätbronzezeitlichen Adels, der anscheinend profane Macht und priesterliche Funktion in sich vereinte, erahnen. Seit etwa 1100 v. Chr. nämlich werden die Schwertträgergräber immer seltener und sind seit Ausgang des 11. Jhs. v. Chr. gut eineinhalb Jahrhunderte lang nicht mehr greifbar. Die Schwertträger haben sich der Bestattungssitte der breiten Bevölkerung entzogen, die aber wenige Generationen später ebenfalls den Brauch der Beisetzung im Grabe aufgab, so daß um die Mitte des 10. Jhs. v. Chr. die Belegung der Gräberfelder überhaupt abbrach. Gegenläufig dazu steigt die Zahl der den Flüssen übergebenen Waffen an, bis zuletzt die Waffen nur noch als Flußfunde überliefert sind, teils in unversehrtem, teils im verbrannten oder alt zerbrochenem Zustand. Vielleicht wurden die Toten weiterhin verbrannt, Leichenbrand, Beigaben und Beigabenreste jedoch nicht mehr beigesetzt, sondern den Flüssen übergeben. Der ganze Vorgang könnte im Sinne einer vornehmlich vom Schwertträgeradel propagierten ,Entmaterialisierung" der Jenseitsvorstellung zu deuten sein, in Weiterverfolgung eines bereits seit etwa 1300 v. Chr. mit der Feuerbestattung eingeschlagenen Weges, auf dem bis zur Mitte des 10. Jhs. v. Chr. auch die Allgemeinheit nachzog. Vergleichbar der Entwicklung im Vedismus und Hinduismus Indiens könnte endlich die irdische Individualität mit dem Tod so bedeutungslos geworden sein, daß es nicht mehr des Erinnerungsmales des Grabes bedurfte. Die Sonderausstellung von Zeugnissen des spätbronzezeitlichen Adels in der Pfalz in der ehemaligen Synagoge Rülzheim verweist auf die Schausammlung "Die Vorgeschichte" im Historischen Museum der Pfalz Speyer, wo diesem Themenbereich besondere Beachtung geschenkt wird. Dr. Lothar Sperber, Histor. Museum der Pfalz
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