Im Jahr
1806 wurde Bayern Königreich. Ein tief in das Leben der Menschen
eingreifendes Reformwerk, eine "Revolution von oben", zwang
die Untertanen des Kurfürstentums Bayern und der neu hinzugekommenen
Landesteile in ein gemeinsames, modernes Staatswesen. Der
Weg der Bayern durch die folgenden zwei Jahrhunderte mit rapiden
Veränderungen in Wissenschaft, Technik, Politik und Kultur
spiegelte sich in besonderer Weise wider in der Entwicklung
des bayerischen Handwerks. Es war Träger und Betroffener dieser
Entwicklung und bewahrte auch beim Übergang von der Agrar-
zur Industriegesellschaft seine traditionellen Qualitäten.
Das Haus der Bayerischen Geschichte erzählt im Deutschen
Museum auf 1.800 m2 Ausstellungsfläche Bayerns Handwerksgeschichte
vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit Bildern,
Film- und Hörstationen, Inszenierungen und auch technischen
Versuchen zum Ausprobieren. Dazu präsentiert die Ausstellung
mehr als 200 Originalobjekte aus allen Teilen Bayerns von
Gegenständen der Alltagswelt bis hin zu Meisterwerken der
Technik und der Kunst.
Am Anfang stand die "zünftige" Ordnung des alten Handwerks.
Sie blieb auch nach ihrer formalen Aufhebung (1825) weiterhin
im Alltag wirksam. Zugleich waren im 19. Jahrhundert in
Bayern wahrhafte Pioniere der Technik tätig, die selbst
aus dem Handwerk stammten. Die Industrialisierung erreichte
große Teile des Landes erst spät, dennoch genügten bereits
ihre Vorboten um das Handwerk in eine Krise zu stürzen.
Dies wurde nach der Einführung einer radikalen Gewerbefreiheit
durch König Ludwig II. im Reformjahr 1868 spürbar.
Durch die Massenfertigung des 20. Jahrhunderts wurden viele
Handwerksberufe wie Möbelschreiner oder Schuhmacher in ihrer
Existenz bedroht. Erst in den turbulenten Zwanziger Jahren
eröffneten sich neue Chancen. Fließendes Wasser, Badewannen
und Heizkörper hielten ihren Einzug auch in einfachere Wohnungen
und förderten nun die Installationsberufe im Handwerk. Die
Elektrifizierung, gerade im Bayern der Weimarer Republik
besonders rege betrieben, schuf neue Berufe wie den Elektriker
oder später den Rundfunktechniker.
Nachdem die Wirtschaftskrise den Optimismus der späten
1920er Jahre wieder zerschlagen hatte, richteten sich aus
den Kreisen des Handwerks viele Hoffnungen auf den Nationalsozialismus.
Doch das Dritte Reich unterwarf schon bald das Handwerk
einer zentral gelenkten Wirtschaft. Die Katastrophe des
2. Weltkrieges forderte ihre Opfer auch unter den Handwerkern
und legte Betriebe in Trümmer.
In den ersten Nachkriegsjahren waren es vor allem Handwerksbetriebe,
die flexibel und erfinderisch mit einfachsten Materialien
ein Überleben der Bevölkerung ermöglichten. Vom eigentlichen
Wirtschaftswunder ab den spaten 1950er Jahren profitierte
das Handwerk in Bayern vor allem durch den Städtebau, die
Motorisierungswelle und nicht zuletzt als Zulieferer für
die Industrie. Das Handwerk konnte sich, parallel zur Modernisierung
von Staat und Gesellschaft in Bayern, wieder selbstbewusst
als feste Größe etablieren.
Im Jahr 2006 spielt der Wissens- und Wirtschaftsstandort
Bayern eine gewichtige Rolle. Auch das Handwerk stellt sich
den Herausforderungen in einer zunehmend globalisierten
Welt durch seinen Beitrag zur beruflichen Bildung und die
Anwendung neuer Materialien und Technologien für die Zukunft.
Text:
HdbG